Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich
Weg-Wort vom 28. Dezember 2020
Reisebericht
Herr M. war auf Reisen gewesen, nun hielt er einen Vortrag, und ich war dazu eingeladen. Ich wusste, dass Herr M. spannend erzählen konnte und so sagte ich zu.
Herr M. fasste sich kurz, als er erklärte, wie er sich vorbereitet hatte. Nur was an Utensilien unabdingbar war, nannte er. Er zeigte auch nur einige, aber sorgfältig gewählte Episoden von seiner Anreise,
so dass wir uns innerlich und erwartungsvoll mit ihm auf den Weg machen konnten, ohne gelangweilt zu sein. Nach wenigen Impressionen von der Unterkunft tauchten wir mit ihm in die Landschaft ein: Türkisblaues Wasser wechselte mit Grün in allen Schattierungen.
Vogelstimmen waren zu hören. Wir sahen Bauwerke, die sich in die Landschaft fügten. Herr M. liess uns sowohl an Badevergnügen und Bootsfahrten, als auch an Wanderungen und kulturellen Unternehmungen teilhaben.
Herr M. erzählte auch, dass diese Reise ihn verändert hatte. In vieler Hinsicht hatte sich seine Einstellung zum Leben gewandelt. Ich merkte, wie ich immer mehr mitging, als sich der Reisevortrag langsam
dem Ende zuneigte. Es war mir, als hätte Herr M. durch seine Erzählungen und Bilder eine Türe geöffnet und ich hatte dahinter eine wunderbare Landschaft gesehen.
Ich merkte, dass ich Lust bekam, diese Urlaubsgegend auf ähnliche Weise auch einmal zu bereisen, als sich Herrn Ms Tonfall und Haltung änderten. «Sollten wir nicht alle», sagte er, «diesen Ort einmal gesehen haben?» Sollten wir nicht alle zu diesen Erlebnissen
und damit zu den Erkenntnissen gelangen, die er durch diese Reise gewonnen hatte. «Es täte uns doch allen gut», fügte er noch hinzu.
In diesem Moment beschloss ich, diese Reise unter keinen Umständen jemals zu unternehmen.
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© Ökumenische Bahnhofkirche im Hauptbahnhof Zürich