Weg-Wort vom 5. Juli 2011
Zivilcourage
Sie ist anfangs Zwanzig, die junge Frau, die zu mir ins Gespräch kommt. Sie berichtet das
folgende Erlebnis:
"Ich fahre mit der S-Bahn in die Stadt. Es sitzen nicht viele Menschen im Zug. Neben
mir sind in einem Abteil zwei ältere Frauen zwischen Sechzig und Siebzig. Sie unterhalten
sich angeregt. Ich sitze allein in meinem Abteil. Der Zug hält. Es steigen Leute zu, unter
ihnen auch ein junger Mann, etwas älter als ich. Er ist nicht mein Typ. Er läuft etwa drei
Mal durch unseren Wagen und setzt sich dann neben mich.
Dann quatscht er mich an. Ich will nicht mit ihm sprechen und sage ihm dies auch. Er macht
weiter Annäherungsversuche. Ich sage laut und deutlich, dass ich absolut kein Interesse
habe. Er belästigt mich weiter.
Da steht eine der älteren Frauen von gegenüber auf und sagt dem Mann höflich, bestimmt und
deutlich, dass er jetzt am besten aufstehe und einen Wagen weitergehe. Sie sagt kein Wort
zu viel, kein Wort zu wenig – und bleibt stehen, bis der Mann aufgestanden und gegangen
ist.
Völlig perplex bedanke ich mich und bekomme ein Lächeln von der alten Dame. Dann sitzt sie
wieder ab und spricht mit ihrer Bekannten weiter."
Das ist nicht das erste Mal, dass ich von solcher Zivilcourage von älteren Frauen höre.
Mich beeindruckt das sehr. Und ich wäre froh, wir alle hätten in solchen und ähnlichen
Situationen wieder vermehrt diesen Mut und diese Zivilcourage, uns für andere einzusetzen.
Das würde einigen alltäglichen Wahnsinn zunichte machen!
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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