Weg-Wort
vom 23. Februar 2007
Fastenzeit
Wir
haben uns eingerichtet in dieser Welt. Wir gehen unseren Geschäften nach,
kümmern uns um unsere Gesundheit, sorgen für unsere Zukunft vor und machen es
uns im übrigen so bequem wie möglich.
Um
der Gefahr der Routine zu entgehen, unterbrechen wir unsern Alltagstrott von
Zeit zu Zeit mit besonderen oder sogar ausserordentlichen Erlebnissen. Und
unversehens ist es uns zur Gewohnheit geworden, dass Gott in unserem
etablierten Leben kaum mehr vorkommt, dass wir Gott einen lieben Gott sein lassen.
Alljährlich
lädt uns die vierzigtägige Fastenzeit zwischen Fasnacht und Ostern ein,
Gewohnheiten zu durchbrechen, Alltagstrott und Bequemlichkeit zu hinterfragen
und uns mit der persönlichen Lauheit auseinander zu setzen. Es geht dabei
darum, über den eigenen Tellerrand hinaus zu blicken und unser Leben aus einer
veränderten Perspektive zu betrachten - wie es uns auch die folgende
Weisheitsgeschichte lehrt:
"Es
war einmal eine Frau, die aus Verzweiflung sterben wollte. Von ihrem Plan,
nichts mehr zu essen, berichtete sie einem weisen Mann. Der nickte nur und
sagte: 'Das wird ein schöner Tod werden.' Die Frau wunderte sich, hatte sie
doch insgeheim gehofft, er würde sie von ihrem Vorhaben abbringen.
So
begann sie zu fasten – und erlebte bald einige Überraschungen: Sie fühlte
sich von Tag zu Tag wohler und freier in ihrem Körper, ihrer Seele und in ihrem
Geist. Manchmal stieg ein Gefühl von Traurigkeit in ihr hoch, gelegentlich ein
tiefer seelischer Schmerz. Der verwandelte sich mit der Zeit in eine lebendige
Sehnsucht nach Liebe und Frieden. Sie fühlte sich mit einemmal wie neugeboren
– und beschloss zu leben, wirklich zu leben."
Mit
dem ganzheitlichen, nicht nur körperlichen Fasten, das mit einem einfacheren
und bewussteren Leben einhergeht, lassen wir alles beiseite, was Verwöhnung und
Überfluss, was nicht notwendig ist. Fasten schärft den Blick für das
Wesentliche, für das, was uns eigentlich ausmacht.
Wir
gewinnen an Freiraum und Freiheit von unnötigem, belastendem und die freie
Sicht versperrendem Ballast. Wir vermögen, die Welt und uns selbst neu zu
entdecken, unsere Mitte zu finden.
Und
vielleicht auch Gott ganz neu zu begegnen.
©
Bahnhofkirche
Hauptbahnhof
Zürich
Seelsorger:
Roman Angst, Toni Zimmermann
In
Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Hans-Ruedi Rüfenacht
www.bahnhofkirche.ch