Weg-Wort vom 26. Juni 2009
Selig die Friedfertigen
Das Klima unseres gesellschaftlichen Miteinanders ist nicht gerade geprägt
von zuvorkommender Freundlichkeit. Es ist eher bestimmt durch ein
Konkurrenzdenken, in dem sich jeder mit jedem vergleicht und sich in
vorsichtiger Distanzierung übt. Manche leben ihre Bedürfnisse aus und setzen
ihre Interessen durch ohne Einfühlung und Rücksicht auf die Menschen ihrer
Umgebung. Die Klagen über egoistisches, selbstherrliches und ruppiges
Verhalten anderer häufen sich.
Dazu eine Beobachtung: Ein junger Mann setzte sich ins Zugsabteil nebenan.
Er hatte seinen Musikplayer mit den Kopfhörern so laut gestellt, dass
etliche Köpfe noch in entfernteren Reihen des Wagens sich umdrehten, um nach
der Quelle des Lärms Ausschau zu halten. Da sagte die Frau, die ihm
gegenüber sass, freundlich zu ihm, dass die laute Musik sie sehr störe.
Worauf er sie noch lauter stellte. Die Frau blieb ruhig und meinte: Ich
wollte nur, dass Sie wissen, dass es mich stört. Wie Sie mit diesem Wissen
umgehen, ist allein ihre Verantwortung. Einige Minuten später stellte der
junge Mann seine Musik so leise, dass man nichts mehr hörte und nickte dabei
der Frau zu. Sie lächelte dankbar.
Manche Menschen lassen sich in solchen und ähnlichen Situationen auf ein
Machtspiel ein, gehen auf Konfrontation und reagieren mit Gegendruck. Die
meisten aber verhalten sich still oder wechseln höchstens verärgert den Ort
des Geschehens. Wer sich aber immer wieder in die innere Frustration
zurückzieht, wird sie bei Gelegenheit an sich selbst oder an anderen
auslassen. Er gibt so die erfahrene Gewalt weiter und dreht mit an der
Spirale von Macht und Gewalt.
Dieser Spirale hält Jesus seine Seligpreisungen entgegen: Freuen dürfen sich
alle, die auf Gewalt verzichten und Frieden stiften (Mt 5,5.9). Wir dürfen
und sollen auch unsere Bedürfnisse einbringen und uns für unsere Interessen
einsetzen aber stets ohne Gewalt, im gegenseitigen Gespräch, mit Rücksicht
auf die Bedürfnisse der anderen und in Achtung ihrer Würde als Person.
Wie die Frau im Zug werden wir manchmal trotz Enttäuschungen die Kraft
dieser Haltung erfahren, oft überraschend da, wo wir es nicht erwarten. Und
wir dürfen zudem der Kraft einer weiteren Seligpreisung vertrauen: Freuen
dürfen sich alle, die danach hungern und dürsten, dass sich Gottes gerechter
Wille durchsetzt Gott wird ihren Hunger stillen. (Mt 5,6)
Wir wünschen Ihnen einen guten und gesegneten Tag!
Die Seelsorger und Seelsorgerinnen der Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Beat Schlauri, Susanne Wey
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Hauptbahnhof Zürich
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