Weg-Wort vom 28. April 2010
Ich sehe dich
In einem afrikanischen Land hat ein Bibelübersetzer beinahe die ganze Arbeit
getan, aber immer vergeblich nach einem Wort für Lieben gesucht. Das ist
schlimm, denn was ist eine Bibel ohne dieses Wort?
Er war fast so weit, sich sein Scheitern einzugestehen. Da beobachtete er,
wie ein junger Mann zu seiner Braut sagte: Ich sehe dich. Da ging es ihm
endlich auf. Ich sehe dich und ich liebe dich, das ist ein und dasselbe.
Diese Geschichte, die ich irgendwo aufgeschnappt habe, verstehe ich gut.
Liebende wollen sich nicht mehr aus den Augen lassen, können nicht genug
voneinander sehen und wahrnehmen.
Und wenn wir zu jemandem sagen: Ich will dich nie mehr sehen!, dann ist
das das Ende jeder Beziehung, der totale Bruch mit dem Anderen. Wir gehen
einander aus dem Weg, aus den Augen, wir übersehen den Anderen.
Was ich sehe dich heisst, merken wir schmerzlich, wenn wir nicht
hingeschaut haben, wenn wir nicht gesehen haben, wenn wir nicht wahrgenommen
haben. Aus diesen Begebenheiten wachsen unsere Albträume. Denken sie nur an
den Strassenverkehr! Denken sie aber auch an die kleinen Geschichten im
Alltag: Sie haben etwas Neues an ihrer Partnerin nicht wahrgenommen. Ihre
Partnerin hat nicht gesehen, dass sie etwas unaufgefordert getan haben. Der
Chef hat ihren zusätzlichen Einsatz nicht gesehen.
Wir leiden darunter, wenn wir nicht gesehen, nicht wahrgenommen werden. Und
wir leben auf, wenn wir gesehen und bemerkt werden. Darin ist die Liebe.
Darum gilt: Ich schaue hin! Ich sehe dich! Du bist mir wichtig!
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
© Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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