Weg-Wort vom 31. Dezember 2008
Jahreswechsel
Die Jahreswende ist die Zeit der festen Vorsätze, der guten Wünsche und
vielfältiger Erwartungen.
Da erwartet einer von sich, dass er mit seiner Zeit bewusster umgeht, um für
sich und die Familie mehr davon zu haben. Eine möchte bis Mitte Jahr einige
Kilo an Gewicht abnehmen. Ein anderer verspricht seiner Frau, nicht mehr so
viel mit ihr zu streiten und ihr mehr zuzuhören. - Ich könnte diese Liste,
was ich an guten Vorsätzen so höre, beliebig weiterführen.
Sich etwas vorzunehmen, mit einer klaren Ausrichtung auf ein Ziel hin zu
leben, bringt uns weiter. Es bündelt unsere Energien und verleiht ihnen und
unseren Gedanken eine Orientierung. Ein Ziel kann uns beflügeln und in uns
ungeahnte Kräfte freisetzen.
Vorsätze und Erwartungen können uns aber auch einschränken, dann, wenn sie
andere Möglichkeiten ausschliessen. Wenn wir uns zu sehr auf sie fixieren.
Werden unsere Erwartungen nicht so erfüllt, wie wir uns das vorstellen, ist
die Enttäuschung gross. Besonders, wenn es uns selbst oder Menschen um uns
herum betrifft.
So kann Max Frisch in seinen Stichworten schreiben: Du bist nicht, sagt
der Enttäuschte oder die Enttäuschte, wofür ich dich gehalten habe. Und
wofür hat man sich denn gehalten?... Man macht sich ein Bildnis. Das ist das
Lieblose, der Verrat.
Wenn wir unsere Erwartungen und Wünsche an uns selbst und an andere in der
Meinung hegen, uns und sie zu kennen, zu wissen, wer und wie wir sind,
machen wir uns ein festes Bildnis und das ist der Verrat, das Ende der
Liebe. Denn die Liebe schliesst das Geheimnis, das erregende Rätsel, das wir
selbst und die anderen immer auch sind, mit ein.
Vergessen wir darum bei all unseren guten Wünschen, Erwartungen, Vorsätzen
und Zielen das Geheimnis nicht das Geheimnis des Lebens, das immer mehr
ist als all unser Wollen und Planen. Das uns immer schon geschenkt ist und
uns zufällt, wenn wir nur offen genug und bereit dafür sind.
In diesem Sinn wünschen wir Ihnen von Herzen alles Gute, viel Erfolg und das
Geheimnis des Lebens im Neuen Jahr mit Gottes reichem Segen!
Ihre Bahnhofkirche
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
www.bahnhofkirche.ch