Das Weg-Wort – Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich

 

Weg-Wort vom 14. Januar 2021

 

Schwellengänge

 

Vor wenigen Jahren wirkte ich bei einem Angebot der reformierten Kirche mit und begleitete als Mentor eine Gruppe jugendlicher Männer bei einer Outdoor-Erfahrung zum Thema Mann-Werden. Wir wanderten durch wilde Jura-Landschaften, waren Wind und Wetter ausgesetzt und übernachteten draussen im Schlafsack mit jeweils nur einer Zeltplane als Dach.

 

An einem Tag wurde den Jugendlichen die Methode des Schwellengangs vorgestellt. Sie fusst auf der Vorstellung, dass mir in der Natur Dinge begegnen, die ich nicht voraussehen kann und die mir etwas mitzuteilen haben. Ein Schwellengang beginnt draussen an einem ungestörten Ort z.B. im Wald, wo ich eine Weile ohne Ablenkung sein kann. Dort suche ich mir eine Schwelle oder lege eine aus Ästen, Zapfen etc. Ich überlege, in welcher Absicht ich die kommende Zeit verbringen möchte, etwa mit einer Frage, über die ich Klarheit erlangen will. Im Bewusstsein dieser Absicht überschreite ich die Schwelle und betrete den Raum ohne etwas darin zu suchen, sondern mich von ihm beschenken zu lassen. So beginnen die Dinge zu mir zu sprechen. Am Schluss der Zeit gehe ich zur Schwelle, überschreite sie in der anderen Richtung und kehre so ins Alltagsbewusstsein zurück.

 

Es ist eine faszinierende Erfahrung, die Natur zu Wort kommen zu lassen auf ein Thema hin, das mich gerade betrifft. Ich erhalte überraschende Antworten, weiterführende Fragen, neue Aspekte und komme etwas anders aus dem Schwellengang heraus, als ich hineingegangen bin. Von Jesus wird berichtet, dass er oft alleine auf einen Berg ging um zu beten. Wer weiss, vielleicht hat auch er den Stimmen von Gottes Schöpfung gelauscht und sich von ihnen inspirieren lassen.

 

Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche

 

 

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