Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 23. November 2018
Geimeinsam trauern
Das Kirchenjahr fängt mit dem ersten Adventssonntag an. Mit dem Sonntag davor geht es zu Ende. Er wird in den protestantischen Kirchen Ewigkeitssonntag genannt. An diesem Sonntag werden im Gottesdienst die Namen derer vorgelesen, die im vergangenen Jahr gestorben sind und bestattet wurden.
Der Gottesdienst am Ewigkeitssonntag gehört zu dem, was ich am meisten vermisse, seit ich in der Bahnhofkirche und nicht mehr als Gemeindepfarrer arbeite. Was macht für mich diesen Gottesdienst so wertvoll?
In den Gesprächen zur Vorbereitung einer Beerdigung gibt es oft sehr intensive Momente. Man denkt darüber nach, was den verstorbenen Menschen so einmalig macht. Manchmal ringt man auch darum, dessen Leben zu verstehen. Wenn ich jeweils zu Beginn des Gottesdienstes in die Runde blickte, erinnerte ich mich wieder an diese Gespräche. Das hat mich jedes Mal tief berührt.
Das Lesen der Namen der Verstorbenen ist das Zentrum und der Höhepunkt des Gottesdienstes. Mit dem Namen wird der Mensch mit allem, was ihn ausmacht, benannt und die Einzigartigkeit seines Lebens gewürdigt. Wenn ich als Trauernder nicht nur den Namen des mir nahestehenden Menschen, sondern auch die vielen anderen Namen höre, dann weiss ich: ich trauere nicht allein. In der Gemeinschaft mit anderen Trauernden kann ich Kraft schöpfen.
Diese Gemeinschaft wird für mich noch verdeutlicht, wenn nach dem Lesen der Namen alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Gottesdienstes aufstehen, nach vorne kommen, eine Kerze anzünden und in eine Sandschale stecken. Bei einer vollen Kirche dauert das eine Weile. Beim Warten kommt es zu kurzen Begegnungen. Da ein längerer Händedruck. Dort gar eine Umarmung. Am Ewigkeitssonntag nimmt man sich dafür die Zeit.