Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!

 

Weg-Wort vom 9. November 2017

 

Abschiedlich leben

 

Eigentlich mag ich sie nicht, die sogenannten Grabkissen, welche in diesen Tagen in den Blumengeschäften und Fachmärkten angeboten werden. Sie erinnern mich an Sterben und Tod, sie erinnern mich an Menschen, die ich in diesen Tagen schmerzlich vermisse. Natürlich, da ist der christliche Glaube und meine Hoffnung, dass der Tod nicht das letzte Wort hat, aber trotzdem, ich mag sie nicht, diese Gestecke. Das hab ich wohl geerbt. Mein Vater wollte nie eine Grabbepflanzung, er wollte sich zu Lebzeiten an den Blumen erfreuen.

 

Wenn ich weiss, was jemand in und nach seinem Sterben will, kann ich dem Rechnung tragen. Eine Patientenverfügung kann da helfen. Aber auch ein schriftliches Dokument ersetzt ein Gespräch nicht. Es gibt Gruppen, welche mir helfen, mit meiner Trauer umzugehen, und das ist gut so. Ich spüre dann ein Netz, das mich auch in schweren Situationen trägt. Aber wir tun uns immer noch schwer, vor dem Tod über das unabwendbare Ereignis zu sprechen. Doch wäre es  entlastend und hilfreich, die Gedanken, Sorgen und Ängste zu teilen? Geteiltes Leid ist halbes Leid, sagt man.

Kinder und Narren sagen die Wahrheit, sagt ein anderes Sprichwort. Daran musste ich denken, als ein kleiner Knirps mir auf dem Spitalgang sagt: Gell, der Opa stirbt. Das Kind hat erfasst, was sein Umfeld nicht auszusprechen wagte. Mit dem Einverständnis des Patienten und der Familie haben wir – Seelsorge, Pflege und Arzt – uns mit der Familie im Krankenzimmer versammelt und über den bevorstehenden Abschied gesprochen. Es war ein gutes, berührendes Gespräch, wir konnten sogar lachen – und weinen. Das war abschiedliches Leben wie ich es mir wünschen würde, aber nicht erst in den letzten Lebenstagen, vielleicht schon etwas früher. Dann könnte man die letzte Phase des Lebens gelassener angehen. Getragen und geborgen.

Die Gräberbesuche und die Grabbepflanzung im November erinnern mich daran, dass wir alle diesen Weg gehen müssen. Den Zeitpunkt kennt nur Gott, und das ist gut so, aber wir können uns vorbereiten und einander begleiten auf diesem Weg. Es gibt ein Leben vor dem Tod, feiern, unterstützen und leben wir dieses Leben in Offenheit und Vertrauen miteinander und füreinander.

 

Mit freundlichen Grüssen

 

Ihre Bahnhofkirche

 

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