Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 4. August 2021
Credo quia absurdum
In den Ferien in Dänemark war ich in einer Ausstellung für zeitgenössische Kunst. Unter
anderem wurde ein wunderschöner Taufstein gezeigt. Die Inschrift rund um das Taufbecken
irriterte allerdings: «Credo quia absurdum» (Ich glaube, weil es absurd - oder widersinnig
- ist) lautete sie. Da wurde keine unerschütterliche Glaubensgewissheit ausgedrückt,
sondern eine Spannung, ein Ringen des Glaubens mit der Vernunft. Auf einem Taufstein?
Mit dem Satz bezeiht sich der Künstler auf den wohl wichtigsten Philosophen und Theologen
Dänemarks, Søren Kierkegaard. Für Kirkegaard lässt sich der Glaube nicht aus der Vernunft
herleiten. Inhalte wie z.B. die Menschwerdung Gottes in Jesus oder die Auferstehung laufen
der Vernunft zuwider, sind absurd. Im Gegensatz zu vielen kirchlichen Lehrern, die
versucht haben, Vernunft und Glaube in Einklang zu bringen, hat er daran festgehalten,
dass der Glaube paradox ist: Der denkende Mensch leidet darunter, dass sein Verstehen an
Grenzen stösst, aber er kann diese Grenzen nur überwinden, indem er unvernünftig glaubt.
Er muss einen «Sprung» in den Glauben tun.
Bin ich als Gläubiger also ein vernunftwidriger Sonderling, bin ich weltfremd? Das habe
ich mich gefragt. Aber dann ist mir eingefallen, dass es das Absurde Theater gibt. Diese
Theaterstücke der Nachkriegszeit, die aufzeigen, wie absurd wir Menschen uns verhalten,
wie sehr wir aneinander vorbeireden und doch die ganze Zeit so tun, als ob wir uns bestens
verstünden und alles sehr Sinn mache. Die Stücke sind genau deshalb erfolgreich, weil sie
uns den Spiegel vorhalten.
Wenn die Welt also so absurd ist, habe ich mir gedacht, wieso sollte ich dann weltfremd
sein, wenn ich absurderweise an Gott glaube? Ist das Widersinnige und Absurde vielleicht
viel wirklicher als das Vernünftige?
Credo quia absurdum - eigentlich kein schlechtes Leitwort zur Taufe!
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
Abb: Louis Hasselriis, Søren Kierkegaard, 1918, Königlicher Bibliotheksgarten, Kopenhagen,
Dänemark.
Foto: Hans Jørn Storgaard Andersen, 2005. Wikimedia Commons
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