Weg-Wort vom 6. Dezember 2007
Mehr als romantisches Brauchtum
In diesen Tagen hat der Samichlaus Hochkonjunktur. Wir feiern ihn als
Schenkender der Kinder. Für viele ist er eine romantische Figur; andere
setzen ihn ein als moralischen Erziehungshelfer. Immer mehr wird er zum
Unterhalter oder Partyfüller. Wer aber ist er wirklich?
Vom historischen Nikolaus wissen wir nur wenig. Er lebte um 300 als Bischof
von Mira in Kleinasien und starb an einem 6. Dezember 350. Um sein Leben
ranken sich viele eindrückliche Legenden. Eine erzählt, dass der heilige
Nikolaus einem armen Witwer heimlich drei Säckchen Gold ins Zimmer warf,
damit er seine drei Töchter nicht einem Kuppler also in die Prostitution
verkaufen musste. Der Witwer hatte leider kein Geld für die Mitgift, und
ohne diese konnte ein Mädchen nicht heiraten.
Ein andermal, als grosse Hungersnot in der Stadt Mira herrschte, betete
Nikolaus für seine Stadt. Da kommt ein Frachtschiff auf dem Weg nach Rom
vorbei, vollbeladen mit Getreide. Doch nur gegen Gold oder Kinder will der
Kapitän das Getreide hergeben. Die Kinder als Sklaven zu geben, kommt für
Bischof Nikolaus nicht in Frage. Da holt er seinen ganzen goldenen
Kirchenschatz und die Leute der Stadt erhalten genügend Getreide, um am
Leben zu bleiben.
Sind diese Geschichten nicht heute noch hochaktuell? Sie erinnern an das
traurige Schicksal tausender von Kindern, die in verschiedenen Ländern zur
Prostitution gezwungen oder missbraucht werden. Sie lenken unsern Blick auf
Menschen, die heute noch täglich an Hunger sterben. Sie zeigen aber vor
allem, dass wir dem Elend nicht ohnmächtig ausgesetzt sind, sondern dass es
Möglichkeiten zur Überwindung von Not und Elend gibt.
Wir spüren der Nikolaustag ist weit mehr als ein Tag romantischen
Brauchtums. In seinem Wesen ist er ein Tag der Proklamation der Kinderrechte
und des Lebensrechtes der Kleinen, Schwachen und Hungernden. Es ist jenes
Recht, für das Gott selber eintritt und das ihm am Herzen liegt. Der heutige
Nikolaustag lädt ein, uns auch für dieses Recht einzusetzen, damit Gottes
Anliegen heute umgesetzt werden können.
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
www.bahnhofkirche.ch
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche