Weg-Wort vom 1. August 2007
Im gleichen Boot?
Das ist einfach ungerecht! Ich arbeite voll, und es reicht doch nicht zum
Leben für meine Familie. Vom Sozialamt muss ich mir den Rest bis zum
Existenzminimum bezahlen lassen. Ich schäme mich und bin gleichzeitig
wütend.
Ich liebe meinen Beruf und möchte damit den Lebensunterhalt doch selber
verdienen. Was ist das für eine Gesellschaft, die mit den eigenen Leuten so
umgeht, die Armen noch ärmer macht und den Reichen und Abzockern das Geld
nachwirft!? Mit diesem Land kann ich mich nicht identifizieren. Da gehöre
ich nicht mehr dazu. Das ist nicht mehr meine Heimat! Meine Heimat sind
meine Familie und meine Freunde.
Wir sitzen alle im gleichen Boot, sagt der Volksmund. Das Zusammenstehen,
das Miteinander, die gegenseitige Solidarität haben dieses kleine Land stark
gemacht und zu dem, was es heute ist. Darauf sind wir stolz und auch
dankbar.
Immer mehr Menschen des ärmeren Teils der Bevölkerung aber haben heute den
Eindruck, dass diese Solidarität auseinanderbricht. Für sie hat sich eine
gesellschaftliche Schicht aus diesem gemeinsamen Boot verabschiedet und sich
in ihrem Luxusdampfer bequem eingerichtet. Da gibt es kaum noch
Berührungspunkte. Der eine Teil weiss nicht, wie der andere lebt, wie es den
Menschen wirklich geht. Was es zum Beispiel heisst, immer am Existenzminimum
leben zu müssen.
Nur auf das eigene individuelle Glück bedacht zu sein und das
Eingebundensein in die gegenseitige Solidarität aufzugeben, ist vielleicht
verlockend aber eine nur vermeintliche, eine trügerische Freiheit!
Ohne Solidarität ist menschliches Leben auf Dauer nicht möglich. Denn unser
aller Leben entstammt der Solidarität. Dass wir mit im Boot sitzen,
verdanken wir unseren Familien, die uns am Anfang unseres Lebens ins Boot
holten und solidarisch begleiteten.
Die Folgen des globalen Klimawandels zum Beispiel betreffen jede und jeden
und können nur gemeinsam behoben werden. Dass alle für ihre Arbeit einen für
den Lebensunterhalt ausreichenden und menschenwürdigen Lohn erhalten, ist
ein Grundwert gegenseitiger Solidarität.
Für die Christen ist die Solidarität wesentlicher Teil des Glaubens. Denn
Gott hat sich in Jesus mit allen Menschen solidarisiert ohne Ausnahme. Im
Glauben sind wir darum dem solidarischen Leben verpflichtet. Wie es im
Johannesevangelium (15,12) heisst: Liebt einander, wie ich euch geliebt
habe.
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Hauptbahnhof Zürich
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
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