Weg-Wort vom 25.Juli 2013
Ging's mir zu gut?
Es gäbe nichts Schlimmeres als eine Anzahl schöner Tage, habe ich schon
gehört. Seit einiger Zeit ist das Wetter so, dass kein Wölklein es trüben
könnte. Ich halte das aus und geniesse es. Doch ich weiss von Menschen, die
an solchen Tagen leiden: Sie fürchten schon den nächsten Schicksalsschlag.
So fragte mich einst ein Mann, ob sie jetzt für die schönen Jahre
seiner Familie büssen müssten? Er hatte mit seiner Frau und Familie ein
wunderbares Leben geführt; immer gesund und die Kinder waren recht
herausgekommen. Dann machte der Hirnschlag seiner Frau alles zunichte:
Lähmung, Sprachlosigkeit, Pflege zuhause kaum möglich. Müssen wir jetzt
büssen?
"Warum geschieht solches?". Das treibt um. Es ist der Versuch im eigenen
Leben Zusammenhänge zu finden, Ansätze für Gründe und Sinn. Dabei fallen wir
immer wieder in ganz archaische Muster zurück: In den
Tat-Ergehens-Zusammenhang. Eine Krankheit, ein Schicksalsschlag muss eine
Reaktion auf unser Verhalten sein und zwar in jedem Fall und immer. Dazu
kommt ein Zweites: Wir suchen wie bei einer Waage die Ausgeglichenheit: 100
Pfund Glück muss unweigerlich mit 100 Pfund Pech oder Krankheit aufgewogen
sein, wenn nicht hier, so dann sicher in der anderen Welt.
Schon seit den Tagen Hiobs, der Leid ertragen musste ohne Grund und ohne
Sinn, ist dieser Sinn-Zusammenhang in Frage gestellt. Nicht immer sind wir
schuld an unserem Ergehen, vor allem dürfen wir aus einem glücklichen Leben
nicht den Schluss ziehen, es müsse anders kommen.
Oft gibt es keinen Zusammenhang. Wir müssen mit Sinnlosem in unserm Alltag
umgehen lernen. - Oder anders, wir lernen aus glücklichen Tagen so viel
Kraft aufzubauen, dass wir das, was uns begegnet - als Teil unseres Lebens
anzunehmen lernen. Sinnloses kann so vielleicht als sinnlos angenommen
werden oder es kann uns geschehen, dass wir auf einmal für uns einen Sinn
erkennen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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