Weg-Wort vom 11. Februar 2009
Rituale
Kinder lieben Rituale. Unsere Kinder wollten ihre Ferien am liebsten im
Tessiner Rustico unseres Freundes verbringen. Meine Lust, immer wieder
Anderes und Neues kennen zu lernen, musste da zurückstehen. Auch das
Gute-Nacht-Ritual musste immer gleich ablaufen. Nur wenige Änderungen lagen
drin. Und auch das nur, wenn es ihnen gut ging.
Rituale geben den Kindern Vertrautheit, Geborgenheit, Sicherheit und das
Gefühl von Heimat.
Mein Morgenritual, das sich stets im gleichen Ablauf wiederholt, hilft mir,
alles Notwendige zu tun, um gut vorbereitet aus dem Haus an die Arbeit zu
gehen, obwohl ich meistens noch nicht ganz wach bin. Ich weiss, dass ich
mich auf dieses Ritual verlassen kann, und staune manchmal, dass ich dabei
nichts vergesse.
Rituale (wie bewusstes Essen, regelmässiges Innehalten, tief durchatmen,
kleiner Spaziergang, kurzes Gebet, Betrachten der wunderbaren Natur usw.)
geben meinem Tag eine gewisse Ordnung. Sie helfen mir, ihn so zu gestalten,
wie ich das möchte, wie es mir entspricht und mir gut tut. Ich habe so
stärker das Gefühl, dass ich lebe und nicht gelebt werde von all dem, was
auf mich zukommt. Jeder Tag erhält so meinen ganz persönlichen Stil. Obwohl
keiner aussieht wie der andere.
Ohne meine Rituale würden mich wahrscheinlich ungesunde Gewohnheiten
schleichend in Beschlag nehmen, wie: vom einen zum anderen hetzen, noch
schnell etwas essen, mich ohne innere, persönliche Einstimmung auf eine
Begegnung einlassen usw. Gesunde Rituale halten mich und mein Leben in
Ordnung. Sie sind gleichsam die Wohnung für meine Seele.
Sie geben mir zudem die Freiheit, mich voll und ganz auf das Leben, auf
Anderes und Neues einzulassen, mich dem Augenblick hinzugeben, mich einer
Sache oder einem Menschen ganz zu widmen. Denn sie holen mich stets wieder
zurück zu mir selbst, in meine Mitte. Sie geben mir Vertrautheit,
Geborgenheit, Sicherheit und ein Stück Heimatgefühl. Sie bringen
Innerlichkeit und Tiefe in meinen Alltag. Sie sind Nahrung für meine Seele.
Für Pierre Stutz ist zum Beispiel das Gebet als Ritual eine heilende
Erfahrung, weil die Seele, das Lebendige in uns, aufatmen kann, und wir alle
Erfahrungen zurückbinden können an den Grund unseres Lebens, den ich Gott
nenne.
Wir wünschen Ihnen einen guten und gesegneten Tag!
Die Seelsorger und Seelsorgerinnen der Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Beat Schlauri, Susanne Wey
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
www.bahnhofkirche.ch
info(a)bahnhofkirche.ch