Das Weg-Wort – Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
 
Weg-Wort vom 28. April 2021
 
Hineingeraten
Seit knapp drei Jahren betreut er seine Frau, jeden Tag und jede Nacht. Jede Nacht ein paarmal aufstehen und ihr erklären, dass sie jetzt nicht raus kann um einkaufen zu gehen, oder es jetzt nicht Zeit fürs Mittagessen ist. Jeden Tag dieselben Fragen hundertmal beantworten. Seit knapp drei Jahren ist seine Frau schwer dement. Schon zweimal hat er sich nicht mehr beherrschen können und hat zugeschlagen. Mit grässlichen Gewissensbissen danach. Aber manchmal hält er es einfach nicht mehr aus. Nie im Leben hätte er sich vorgestellt, dass er in solch eine Situation geraten könnte. Sie in ein Heim geben? Nein, niemals könnte er ihr das antun.
In den biblischen Berichten über die Verurteilung und Kreuzigung von Jesus gibt es die Szene, in der Simon aus Kyrene von den römischen Soldaten gezwungen wird, für Jesus das Kreuz zu tragen. Er sei vom Feld gekommen und zufällig vorbeigegangen, heisst es dazu lapidar. Völlig unbeteiligt, ohne Vorahnung wird der Mann in das Geschehen hineingezwungen, geht plötzlich neben Jesus her und erleichtert ihm für kurze Momente das Leiden.
Ein starkes Bild: Manchmal gerät man in Situationen, die man sich nie ausgesucht hätte. Es ist plötzlich einfach so. Man trägt schwer daran. Man leidet darunter. Vielleicht sieht man immerhin, dass man einem andern Menschen damit Gutes tut.
Kommt man in solchen Situationen Gott nahe? Hat Simon im geschundenen Jesus den menschgewordenen Gott erkannt?
 
«Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan» sagt Jesus im Matthäusevangelium (Mt 25,40).
 
Mit freundlichen Grüssen
 
Ihre Bahnhofkirche
Abb: Alexander Stoljarov, Simon trägt das Kreuz für Jesus, Ikonenkreuzweg Kirche St. Hubertus, Dresden, 2012.
 
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