Weg-Wort vom 30. Januar 2008
Verantwortung in Freiheit
Wenn es uns nicht gut geht, wenn einiges schief läuft, geraten wir leicht in
Versuchung, andere dafür verantwortlich zu machen.
Besonders in Zeiten hoher Belastung ist die Gefahr gross, dass wir innerlich
zumachen, vieles einfach geschehen lassen und die Verantwortung dafür
unbewusst an andere abgeben. Wir geraten unversehens in eine Opferrolle und
geben anderen zu viel Macht über uns.
Manche Menschen machen sich selber zum Opfer gesellschaftlicher
Verhältnisse oder ihnen schlecht gesinnter Menschen, weil sie die
Verantwortung für ihr Erleben nicht übernehmen wollen. Sie begeben sich
damit zwangsläufig in die Abhängigkeit derer, über die sie sich beklagen.
Freiheit und Unabhängigkeit gewinnen wir aber nur in dem Masse, wie wir
Verantwortung für unser Leben übernehmen.
Sicher, es geschieht vieles, worauf wir keinen Einfluss haben, wo wir nicht
mit entscheiden können, wo wir sogar Entscheidungen anderer ausbaden
müssen. Was uns aber niemand abnehmen kann, was immer unsere Angelegenheit
und allein unsere Entscheidung ist das ist die Bedeutung, die wir jedem
Geschehen in unserem Leben persönlich geben.
Wenn ich mich zum Beispiel ungerecht behandelt fühle, habe ich die Freiheit,
diesem Geschehen meine ganz persönliche Bedeutung zu geben: Ich kann mich
verletzt, beleidigt und andere beschuldigend zurückziehen. Ich kann die
Ungerechtigkeit aber auch als eine Herausforderung betrachten, für mich
einzustehen und eine gerechtere Behandlung einzufordern. Wenn die
Möglichkeit dazu nicht gegeben ist, kann die Aufgabe für mich darin
bestehen, aus dieser Situation für die Zukunft zu lernen oder mich zumindest
darin zu üben, mich von künftigen Ungerechtigkeiten nicht mehr niederdrücken
zu lassen.
Wir gewinnen einiges an Freiheit, wenn wir uns gerade in den Abhängigkeiten
und Zwängen des Alltags bewusst machen, dass wir es sind, die allem
Geschehen um uns unsere je eigene Bedeutung geben.
Wir gewinnen noch mehr an Freiheit, wenn wir unseren Alltag auch mit den
Augen Gottes betrachten, wenn wir mit ihm im Gespräch sind über jedes
Geschehen. Denn betend lösen wir uns aus dem Verhaftetsein in unserem
eigenen Erleben, in unseren Bedeutungen. Und das befähigt und stärkt uns, in
Freiheit Verantwortung für unser Leben zu übernehmen.
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
www.bahnhofkirche.ch