Weg-Wort vom 24. Mai 2012
Getaktet sein
Das wollen wir ja auch nicht, dass alles gleich getaktet ist und wir in
unserm Leben alle im Gleichschritt zu marschieren haben. Wohin das führt? -
Das haben wir im letzten Jahrhundert zur Genüge erfahren.
Auch hier und heute besteht immer wieder die Gefahr, dass wir alle gleich
getaktet werden sollen. Überall dort geschieht das, wo Kritik unterdrückt
wird, wo Diskussionen und Fragen zum Thema abgewürgt werden: Es ist jetzt
so, es ist so beschlossen und damit basta. Es braucht Takt in unserm Leben -
wollen wir nicht taktlos werden oder sein.
Wo ist das Mass, das sowohl den totalitären Taktanspruch verhindert wie auch
die völlige Taktlosigkeit? Die Anstrengungen zur Aufhebung der heute schon
völlig ausser Rand und Band geratenen Ladenöffnungszeiten sind für mich ein
Beispiel von Taktlosigkeit.
Mit einer Mischung aus Bewunderung und Befremden sehen wir fromme Muslime 5
mal am Tag beten, bestaunen diesen Rhythmus, diesen Takt, der den Alltag
strukturiert und ausrichtet. Selber hören wir unsere eigenen Glocken nicht
mehr, wenn sie zum Gebet rufen und uns mit ihrem Takt aus der taktlosen
Hektik des Alltags herausreissen wollen, oder wir wehren uns lauthals gegen
sie, weil wir in unserm Schlafverhalten gestört sind und weil wir gegen
Flug- und Autolärm eh nichts ausrichten können.
Getaktet sein - den Takt des Lebens verspüren, den Rhythmus, der uns mit
Leben erfüllt. Das tut gut. Wie gut es tut, merken wir am ehesten beim
Singen oder Tanzen. Wenn der Takt Körper und Seele mitnimmt und so aus
vielen Takten ein Rhythmus, eine Melodie entsteht, die uns unser ganzes
Leben neu auftut. Gott, wie gut tut das.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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