Das Weg-Wort – Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!

 

Weg-Wort vom 29. April 2020

 

Gott Vater/Mutter

Vergangene Woche habe ich ein Weg-Wort über Kapellen und Räume der Stille geschrieben. Ich habe die Meinung vertreten, dass solche Räume eine Ahnung des Göttlichen vermitteln sollen,

ohne Gott dabei auf bestimmte Bilder oder Vorstellungen fest zu legen - denn Gott entzieht sich unserem Zugriff immer wieder.

Nun ist menschliche Existenz aber nicht vorstellbar ohne sinnliche Eindrücke, ohne Denken in Kategorien und Unterscheidungen. Wir sehen und hören. Wir unterscheiden zwischen gross und klein, laut und leise, gut und böse…

Das heisst: Wir leben in Vorstellungen und Bildern über die Welt. Und in dem Moment, in dem wir das Wort «Gott» in den Mund nehmen, über das «Heilige» nachdenken, bewegen wir uns auch da in Kategorien und Vorstellungen.

Sofort taucht z.B. die Frage auf, was der Unterschied zwischen Gott und dem Heiligen ist… So wichtig es also ist, daran festzuhalten, dass Gott mehr und anders ist als unseren Vorstellungen, so wichtig ist es auch zu sehen,

dass es ohne solche Vorstellungen schwierig ist. Jedenfalls dann, wenn man einen Glauben praktizieren, ihn mit anderen teilen will. Dann braucht es Namen für, Bilder von, Gebete zu Gott.

Das Christentum kennt die Vorstellung Gottes als Vater. Heute muss man hinzufügen: oder als Mutter. Diese Vorstellung wird oft als naiv abgetan. Gott könne man sich doch nicht als Person vorstellen.

Dazu ein paar Überlegungen:

Ein wesentliches Merkmal des Menschseins ist die Angewiesenheit. Von Anfang an sind wir angewiesen auf Zuwendung, auf Zuspruch.

Ohne verlässliche Bezugspersonen in unseren ersten Lebensjahren können wir uns nicht oder nur schwer zu einer eigenen Person entwickeln. Ohne Du entsteht kein Ich, ohne Zuspruch keine Sprache.

Und die ersten Erfahrungen solcher lebenswichtigen Beziehungen sind - in der Regel - die mit der Mutter, dem Vater. Die Vorstellung Gottes als Vater oder Mutter ist von daher überhaupt nicht naiv,

sondern geht von dem aus, was für Menschen lebensnotwendig ist. Wenn also ein Gottesbild – warum nicht dieses?

Mit freundlichen Grüssen

 

Ihre Bahnhofkirche

 

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Abbildung: Ingeborg Hunzinger, Vater mit Kind, 1958, Müggelpark, Berlin. Foto: OTFW, 2019, wikimedia commons

 

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Mit freundlichen Grüssen

 

Ihre Bahnhofkirche

 

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