Weg-Wort vom 27. Februar 2007-02-27
Den Kopf frei erheben
Damit hatte er nicht gerechnet. Er war sich sicher gewesen: Diesmal war er
dran. Ganz klar. Er hatte jahrelang alles gegeben für den Betrieb. Sie
konnten nicht anders, als endlich ihn zu befördern. Dennoch haben sie den
andern ihm vorgezogen. Dabei war der nur halb so lang im Betrieb wie er. Er
kochte vor Wut.
Sie war ausser sich. Sie hatte fast alles aufgegeben für ihn, um seine Liebe
zu gewinnen. Und nun das: Er liebe die andere mehr als sie. Das konnte er
ihr nicht antun, nein, das nicht!
Wir stehen in unserem Leben immer wieder in Situationen, wo wir nicht den
Erfolg oder die Beachtung erhalten, die wir erwarten oder meinen, dass sie
uns zustehen. Wir haben mehr oder weniger gelernt, damit umzugehen.
Besonders schwierig ist es, wenn der Misserfolg oder die fehlende Beachtung
für uns unerklärlich sind, wenn wir sie nicht verstehen können.
Eine solche Situation ist auch in der Bibel (Gen 4) beschrieben: Die beiden
Söhne von Adam und Eva, Kain und Abel, brachten Gott je ein Opfer dar. Gott
aber beachtete nur das Opfer von Abel. Da überlief es Kain ganz heiss und er
blickte finster zu Boden. Da fragte ihn Gott:
Warum bist du so zornig? Warum starrst du auf den Boden? Wenn du Gutes im
Sinn hast, kannst du den Kopf frei erheben; aber wenn du Böses planst,
lauert die Sünde vor der Tür deines Herzens und will dich verschlingen. Du
musst Herr über sie sein!
Kain aber wurde nicht Herr über seine Gefühle und schlug seinen Bruder tot.
Für die Bibel ist dies der Ursprung der Sünde, des Bösen. Gottes Handeln an
Kain ist nicht gegen ihn gerichtet. Solches passiert halt einfach. Es ist
nicht erklärbar! Wie so vieles, was uns in unserm Leben passiert, nicht
erklärbar und verstehbar ist.
Aber wir haben zwei Möglichkeiten, damit umzugehen:
Das Gute im Sinn haben oder das Böse planen. Sich dem inneren Dunkel und dem
Chaos der Gefühle überlassen oder Herr sein über sie und sich eine innere
Ordnung schaffen, die Leben ermöglicht, das Gute fördert und uns den Kopf
frei erheben lässt so wie Gott aus dem Chaos und der Finsternis eine Welt
erschuf, die Leben ermöglicht und das Gute im Sinn hat (Gott sah, dass es
gut war, Gen 1).
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