Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 10. November 2020
Novembermorgen
Ich ziehe die Jalousien am Fenster hoch, mache das Fenster auf und Grau wabert herein. Die Wolken hängen dicht und es gibt keine Hoffnung auf Sonne, wie noch gestern, als Nebel in der Senke lag.
Der Garten ist fast ohne Blüten, das letzte Laub hängt schlaff. Das Fenster bleibt auf um die Nachtluft hinaus zu lüften, obwohl es jetzt auch noch zu regnen beginnt.
Am Frühstückstisch, mit dem Rücken zum Fenster, höre ich den Regen. Die Tropfen treffen auf die Blätter, es ist ein beruhigendes Geräusch, ein sanftes, weiches Nieseln. Erst jetzt bin ich bereit zu hören,
dass das Rotkehlchen in meinem Garten singt. Seit Tagen hat es seinen Platz in meinem Holunder und singt dort, unbekümmert vom nun grauer werdenden Herbst.
Nun hat der Tag meine wohlwollende Aufmerksamkeit erhalten: Die Blätter an der Buche sind fast weg. In der Krone sind die zarten Zweige und die Äste zu sehen, die feine Struktur des Baumes. Sie sind wie
ein grosser Fächer vor dem Regenhimmel aufgespannt. An jedem Zweig leuchten Regentropfen. Ein Nachbar, der mit seinem Hund unterwegs ist, bringt das Laub auf dem Boden bei jedem Schritt zum Rascheln.
Im Sommer kommt mir die Schönheit der Natur mit überwältigender Wucht entgegen. Der November ist der Monat, der mir abverlangt, dass ich mich um das Wahrnehmen des Schönen bemühe, um sein verborgenes Leuchten,
das mir durch mein Bemühen besonders wertvoll ist.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche