Weg-Wort vom 28. April 2008
Verweilen
Effizienz ist gefragt! Mehr Leistung in weniger Zeit! Diese Maxime mag im
Wirtschaftsleben unter bestimmten Umständen vielleicht zum Teil richtig
sein. Aber immer mehr Menschen leiden unter dem Leistungsdruck und werden
krank.
Der Rabbi sah einen Mann auf der Strasse eilen, ohne rechts und links zu
schauen. Warum rennst du so? fragte er ihn.
Ich gehe meinem Erwerb nach, antwortete der Mann.
Und woher weisst du, fuhr der Rabbi fort zu fragen, dein Erwerb laufe vor
dir her, dass du ihm nachjagen musst? Vielleicht ist er dir im Rücken, und
du brauchst nur innezuhalten, um ihm zu begegnen, du aber fliehst vor ihm.
(aus: Martin Buber, Die Erzählungen der Chassidim)
Weniger ist oft mehr, sagt der Volksmund. Wir brauchen nur immer wieder
innehalten, mitten im Alltagsgeschehen, und sei der Stress noch so gross!
Innehalten, um uns zu spüren, um zu uns selbst zu kommen. Denn um
Wesentliches wahrzunehmen, braucht es Zeit und absichtsloses Verweilen.
Das Entscheidende liegt so oft
nicht im Tun, sondern im Sein
nicht im Geben, sondern im Empfangen
nicht im Reden, sondern im Hören
nicht in der Leistung, sondern im scheinbar Nutzlosen.
Verweilen aber heisst, den Dingen auf den Grund gehen:
im Ernsthaften das Heitere entdecken
im Vordergründigen das Hintergründige erkennen
im Wandelbaren das Bleibende sehen.
Was ist für mich wesentlich in meinem Leben?
Jetzt in diesem Moment? In dieser Stunde?
Am heutigen Tag?
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Hauptbahnhof Zürich
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
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