Weg-Wort vom 23. Oktober 2009
Unterbrechung
Die kürzeste Definition von Religion: Unterbrechung das schreibt der
Theologe Johann Baptist Metz. Wenn unsere Alltagsroutinen, der
24-Stunden-Rhythmus von Arbeit, Freizeit und Schlaf uns innerlich und
äusserlich benebeln, fehlen uns notwendige Zwischenräume.
Rationalität, Versachlichung, das ständige Suchen nach Nutzen und die
fortschreitende Beschleunigung lassen uns effizient und erfolgreich sein,
aber genügt das? Braucht es nicht Freiräume, die für eine heilsame
Unterbrechung sorgen, um Raum frei werden zu lassen, um zu uns zu kommen?
Gibt es überhaupt noch Räume, die uns nicht funktionalistisch bestimmen und
besetzen? Und wo sind sie?
Der Sonntag ist für den Menschen da und nicht umgekehrt. Der Sonntag ist
keine Verlängerung des Arbeitstages, um Versäumtes nachzuholen, schnell noch
dieses oder jenes zu erledigen. Der Sonntag erhält seine Qualität durch die
Möglichkeit der Musse, der Nicht-Beschäftigung, des Nicht-Funktionierens.
Der Gottesdienst am Sonntag nimmt den Alltag auf, aber will nicht alltäglich
sein, er weitet den Blick, er deutet, er tröstet, er unterbricht.
Die Religion, so Metz, braucht Unterbrechung, um bei den Menschen
anzukommen. Und vielfach zielt kirchliches Handeln genau darauf hin: der
Gottesdienst ist Unterbrechung, das gesungene Lied, das Gebet sind
Unterbrechung. Aber genauso gilt auch: das Anschauen eines Bildes, der Klang
der Musik, die Worte der Literatur, die Sprache der Kunst, das Erlebnis der
Natur eröffnen Möglichkeiten von religiöser Erfahrung und Gottesbegegnung.
Am Sabbat, schreibt Erich Fromm, lebt der Mensch, als hätte er nichts,
als verfolgte er kein Ziel ausser zu sein, das heisst seine wesentlichen
Kräfte auszuüben beten, studieren, essen, trinken, singen, lieben. Kein
schlechtes Konzept. Ich wünsche Ihnen einen Samstag und Sonntag, die
wirklich unterbrechen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Beat Schlauri
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