Weg-Wort vom 21. Feberuar 2008
Kleiner grosser Gott
Der Dichter-Pfarrer Kurt Marti beginnt ein Gedicht mit den Worten Grosser
Gott. Fast möchte man weiterfahren mit dem Text des bekannten Liedes, das
in festlichen, erhabenen Feiern gesungen wird: Grosser Gott - wir loben
dich. Herr, wir preisen deine Werke. Aber der Dichter singt kein Lied auf
den grossen, mächtigen und fernen Gott, sondern er denkt an den nahen,
kleinen, oft zu nahen, zu kleinen Gott. Er sagt nämlich:
Grosser Gott: uns näher / als Haut / oder Halsschlagader
kleiner als Herzmuskel / Zwerchfeld oft:
zu nahe, / zu klein wozu / dich suchen?
Und er schliesst dann das Gedicht mit den provozierenden Worten:
Wir deine Verstecke.
In der Bibel ist davon die Rede, dass der Mensch sich vor Gott versteckte.
Hier aber wird von Gott gesagt, dass er sich in uns versteckt. Der grosse
Gott ist so klein, dass er sich in uns verstecken kann.
Hat Gott sich in uns versteckt? Oder halten wir ihn versteckt in uns? Ihn
in uns aufzufinden, ist wohl unsere wahre Lebensaufgabe. Kinder spielen
Versteckspiel. Wer den Versteckten findet, hat gewonnen. Wer Gott findet,
hat gewonnen.
Es gibt Stunden im Leben, leidvolle, da versteckt er sich so tief, dass wir
ihn nicht mehr finden können, dass wir nicht mehr an seine Gegenwart glauben
können. Aber vielleicht gibt er uns dann doch ein Zeichen von sich, dass wir
ihn finden können, so dass sich alles verwandelt und wir einen Sinn
entdecken in unserer Situation, dass wir wieder hoffen können.
Aber manchmal sind auch wir es, die ihn verstecken, ihn verdrängen, als wäre
er nicht da, als gäbe es ihn nicht. Wir bleiben im Äusseren, Alltäglichen
hängen. Wir durchleben das Alltägliche nicht, bis wir in ihm Gott entdecken.
Wir wagen den Weg von aussen nach innen nicht zu gehen, bis zum Herzmuskel
und Zwerchfell, wie Kurt Marti es ausdrückt.
Gott ist der geheime Schatz in unserem Lebenshaus, der alles geheimnisvoll
verwandelt, den es aufzufinden gilt. Wo versteckst sich Gott in meinem
Leben? Jetzt in dieser Lebensstunde? Ich werde einen neuen Blick auf mich
und die Mitmenschen gewinnen, wenn ich glauben kann, dass ich, dass wir
Menschen Gottes Verstecke sind.
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