Weg-Wort vom 27. September 2006
dein Reich komme
In seiner Muttersprache wünschte Jesus: dein Königtum komme. Damit ist
nicht der Herrschaftsbereich gemeint, sondern die Regierungsweise des
Königs, die Art und Weise der Herrschaft als väterlich-mütterlich liebender
Gott.
Für Jesus selbst war dieser Gott so unaussprechlich gross und herrlich, dass
er von ihm nur in Bildgeschichten, in Gleichnissen sprechen konnte: Mit dem
Reich Gottes, mit dem Himmelreich ist es wie ... So vergleicht er das Reich
Gottes z.B. mit einem kostbaren Schatz im Acker oder der einmalig schönen
Perle, für die man alles hergibt, was man hat (Mt 13,44f).
Jesus formulierte keine Lehre vom Reich Gottes. Er sprach vielmehr in stets
neuen Vergleichen und Bildern über dieses sein Herzensanliegen, den
kostbaren Schatz in seinem Herzen. Seine Gleichnisse sind wie Fenster,
durch die hindurch der, der richtig zuhört, sehen kann (Reinhard Körner),
was mit Gottes Herrschaft gemeint ist. Ja, Jesus selbst war mit seiner
Denkens- und Redensart, mit seinem Handeln und seiner Ausstrahlung für die
damaligen Menschen wie ein Gleichnis, ein Fenster, das sie den
väterlich-mütterlich liebenden Gott sehen und erfahren liess.
Durch sein Reden und Wirken öffnete er seinen Zuhörern auch die Augen für
die realen Verhältnisse seiner Zeit. Er nahm die persönlichen,
gesellschaftlichen und religiösen Gegebenheiten ernst und sprach in diese
ihre Alltagssituationen hinein immer wieder neu sein Herzensanliegen, die
frohe Botschaft: dass trotz aller Mühsal, aller Schuldhaftigkeit und
Brüchigkeit ihres Lebens der väterlich-mütterlich liebende Gott da ist, in
bedingungsloser Liebe, mitten unter ihnen und in ihnen selbst.
Bei Mk 1,15 heisst es: Die Zeit ist erfüllt. Das Reich Gottes ist nahe.
Damit ist gemeint: Seine Herrschaft, die nichts als Liebe, Wahrheit,
Barmherzigkeit und göttliche Gerechtigkeit ist, ist schon da, mitten unter
uns - allerdings noch nicht vollkommen. Diese göttlichen Wesenszüge sind
bereits in unsere Herzen gelegt. Denn wir sind geschaffen nach seinem Bild.
Überall da, wo wir sie gebrauchen und unter einander leben, entsteht Reich
Gottes, die Herrschaft des Friedens und der Freiheit, der Versöhnung, der
Liebe und der Ehrfurcht vor allem Leben.
Dein Reich komme ist also der Herzenswunsch Jesu, dass die Wesenszüge des
väterlich-mütterlich liebenden Gottes, die wie ein Senfkorn in die Herzen
aller Menschen gelegt sind, hier und jetzt wachsen, sich entfalten und
dereinst zur Vollendung kommen.
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
www.bahnhofkirche.ch
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Hans-Ruedi Rüfenacht
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche