Das Weg-Wort – Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
 
Weg-Wort vom 13. Januar 2021
 
Zachäus in mir
Im 19. Kapitel des Lukasevangeliums wird die Geschichte von Zachäus erzählt: Zachäus ist Oberzöllner und sehr reich. Gleichzeitig gilt er seinen Mitmenschen als Sünder, weil er ihnen, wie er selber eingesteht, zu viel Zoll abknöpft. Offenbar erlaubt ihm seine Machtposition diesen Missbrauch ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen. In der Erzählung erfahren wir auch, dass Zachäus sehr klein ist. Deshalb verwehrt die Menschenmenge ihm die Sicht, als der bekannte Profet Jesus durch die Stadt zieht. Also klettert er auf einen Baum.
Das macht hellhörig: Ein mächtiger, wohlhabender Mensch, der aussen vor steht, nicht dazu gehört. Einer, der sich auf seinem Baum vielleicht auch vor den andern schützt? Plötzlich sehe ich da einen vor mir, der  gar nicht nur körperlich klein ist, sondern vor allem ein kleines Selbstvertrauen hat, eine ängstliche und verletzte Seele. Einen, dem seine Macht als Zöllner hilft, sich in seiner Verletzlichkeit zu schützen. Weil sie ihn gross macht und die Menschen auf sicherer Distanz hält.
Und von Zachäus bin ich schnell bei mir. In jedem und jeder steckt wohl irgend so ein Zachäus. Jede Seele hat ihre Leidnarben und Wundstellen, mit denen man sich klein und verletzlich fühlt und die man so gut wie möglich zu  verstecken versucht oder durch anderes kompensiert.
Aber es verbindet uns auch eine gemeinsame Sehnsucht mit Zachäus. Nämlich, von Menschen mit diesen verletzten Seiten gesehen und verstanden zu werden. Die Sehnsucht, dass jemand auf uns zukommt und wir uns öffnen können, ohne Angst, so dass wir uns ganz und heil fühlen können. In der biblischen Erzählung geschieht das so:
„Als Jesus an die Stelle kam, schaute er hinauf und sagte zu ihm: Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein.“
 
Mit freundlichen Grüssen
 
Ihre Bahnhofkirche
Abbildung: Jesus und Zachäus, Brandenburger Evangelistar, Domstift Brandenburg, um 1210.
 
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