Weg-Wort vom 19. Dezember 2007
Das Fest der Mistkäfer
Eine etwas andere Weihnachtsgeschichte von Andrea Schwarz
Vor einiger Zeit war ich für einige Tage in Südafrika. Und komischerweise
habe ich dort, mitten im südafrikanischen Frühsommer, etwas von Weihnachten
verstanden: Weihnachten ist eigentlich das Fest der Mistkäfer ...
An dem Tag waren wir seit fünf Uhr mit dem Ranger des Wildparks unterwegs
auf der Suche nach Elefanten, Leoparden, Löwen, den wild dogs. Nach
Sonnenaufgang hielten wir irgendwo in der Wildnis, er holte die
Thermoskannen mit Kaffee hervor und zeigte uns so ganz nebenbei den
frischen Dung eines Nashorns. Hunderte von Mistkäfern hatten sich um diesen
Dunghaufen versammelt und machten daraus kleine Kugeln, die immerhin so
gross waren wie sie selbst - um sie dann mühsam über Hunderte von Metern in
ihre Behausung zu rollen.
Wer in Afrika ist, will Löwen, Elefanten und Büffel sehen und eigentlich
keine Mistkäfer. Wir wollen das Grosse, das Spektakuläre. Dem jagen wir
hinterher. Auch an Weihnachten.
Aber Weihnachten ist überhaupt nicht spektakulär ein kleines Kind im
erbärmlichen Stall, und gleich nach der Geburt schon auf der Flucht. Am
Königshof ist der neugeborene König der Juden nicht zu finden. Sogar die
Heiligen Drei Könige laufen erst einmal die falsche Adresse an. Und die
Bewohner von Betlehem haben das Ereignis verschlafen. Es sind die Hirten,
die Ärmsten der Armen, diejenigen, die durch Nacht und Kälte wachgehalten
werden, sich sorgend um ihre Herden, die das Kommen des Gottessohnes
mitbekommen.
Weihnachten ist überhaupt nicht spektakulär. Es ist armselig.
Wir haben es spektakulär gemacht um damit möglicherweise die leise
Botschaft, die uns zur Veränderung aufruft, zu übertönen.
Ich habe in diesen Tagen gelernt: Weihnachten hat nichts mit Löwen und
Elefanten zu tun, die sich fotogen den Besuchern an der Krippe stellen,
sondern viel mehr mit Mistkäfern, die in aller Geduld, Beharrlichkeit und
mit Ausdauer ihre Aufgabe erfüllen. Gott inszeniert sich nicht
publikumswirksam und spektakulär, sondern eher bescheiden und im
Hinter-grund. Wir brauchen nicht das Laute, Schöne und Harmonische zu
propagieren, sondern wir dürfen all das Kleine, Schützenswerte und
Nicht-Spektakuläre leben.
Solange wir auf das Grosse warten, werden wir Gott nicht finden. Wir werden
Gott nicht finden, wenn wir nach oben schauen sondern nur dann, wenn wir
nach unten schauen. Vielleicht sogar bei den Mistkäfern....
Damit wird Weihnachten aber auch zu einer Anfrage an mich selbst: Definiere
ich mein Leben so, dass es nur lebenswert ist, wenn das Spektakuläre
eintrifft oder finde ich das Staunens- und Liebenswerte auch im
erbärmlichen Stall?
Vielleicht sogar in meinem erbärmlichen Stall?
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Hauptbahnhof Zürich
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