Weg-Wort vom 30. Mai 2007
ergriffen sein
Weil Leib, Geist und Seele von einander abhängig sind, reagieren wir
körperlich, wenn etwas unsere Seele bewegt. Es läuft uns kalt über den
Rücken, wir bekommen Gänsehaut oder sind zu Tränen gerührt. Der Körper
reagiert auf unsere Gefühle und Empfindungen. Und umgekehrt verändert sich
unser körperliches Befinden, wenn unsere Stimmung wechselt.
Manchmal berührt uns etwas, das wir als heilig empfinden. Dann erschauern
wir. Das kann geschehen, wenn uns die Schönheit berührt oder wenn wir an
einem heissen Tag eine kühle Kirche betreten. Dann halten wir den Atem an
und spüren die Erregung aus Freude, Erwartung und Scheu die über unsere Haut
zieht. Meistens dauert eine solche Erfahrung nur für einen kurzen Moment.
Wenn das Heilige uns berührt, dann geschieht etwas mit uns. Man steht mit
der Erfahrung allein und entblösst vor sich selbst. So lernt man auch etwas
über sich selbst, z. B. wie mutig oder wie zögerlich wir sind in unserer
Beziehung zu Gott. Die Berührung mit dem Heiligen stellt uns vor eine
Entscheidung. Wir bestimmen, ob wir nach noch mehr Gott in unserm Leben
suchen oder am gewohnten Trott festhalten wollen. Beides hat seinen Preis.
Es braucht Mut und Entschlossenheit seiner Ergriffenheit und damit dem Ruf
seiner Seele zu folgen. Vielleicht macht uns dieser Ruf Angst, denn wir
wissen nicht wohin er uns führt. Aber er ist auch unsere Chance für mehr
Lebendigkeit und Erfüllung im Leben.Wer der Sache nicht traut und abwartet,
sich in die Normalität zurückzieht, wird bald einmal feststellen, dass sich
trotzdem etwas verändert. Mattigkeit und Öde breiten sich auf einmal aus.
Aber man weiss nicht warum. Wer sein Ergriffensein übergeht, wird taub für
den Ruf der eigenen Seele. Diese resigniert und verstummt. Sie wird krank
und der Mensch verliert seine Lust am Leben.
Wenn die Verbindung zur eigenen Seele abbricht, dann ist auch die Beziehung
mit Gott unterbrochen. Achten Sie darum auf ihren Körper. Er zeigt an, wenn
die Seele von etwas berührt wird das höher oder tiefer geht als wir es bis
heute erfahren haben. Wer dem Ruf der Seele folgt, sich ergreifen lässt,
findet in ein erfülltes Leben.
Bild: Skulptur des heiligen Domenikus ergriffen im Gebet.
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
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Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche