Weg-Wort vom 18. Januar 2008
Halt an! Wo läufst du hin!
Der Himmel ist in dir.
Suchst du Gott anderswo,
du fehlst ihn für und für. (Angelus Silesius)
Gott in mir? Beim Suchen nach Gott sind wir uns selbst überlassen. Wir
brauchen dafür nicht weit zu laufen. Denn Gott ist da, wo wir gerade sind.
Das war die grosse Erkenntnis der Israeliten, als sie nach Babylon
verschleppt wurden. Gott blieb nicht in Jerusalem im Tempel zurück, wie sie
es erwartet hatten, sondern er begleitete sie ins Exil. Wenn Gott da ist, wo
bin dann ich, dass ich ihn nicht spüre?
Der Mystiker Silesius fand Gott in sich. Er übte darum ganz bei sich zu
sein, mit all seinen Sinnen im Moment zu leben, eins sein mit dem, was er
gerade tat.
Wir leben meist ganz anders. Die Einen hängen Vergangenem nach die Anderen
beschäftigt was auf sie zukommt. Wir schweifen ab aus der Gegenwart. Wir
gleiten in Gedanken über weisse Pisten, bevor wir in den Ferien sind, und
dort machen wir uns Gedanken, über das Unerledigte, das wir zurückgelassen
haben.
Gott aber können wir nur dann begegnen, wenn wir im Augenblick sind ganz bei
uns selbst. Dafür braucht man Zeit. Manche beten und meditieren darum
regelmässig und horchen nach innen oder spüren sich bei sportlichen
Leistungen.
Der Mystiker Angelus Silesius suchte Gott in sich. Er wusste, wer in sich
hört, begegnet seinen Gefühlen und Emotionen. Wer es wagt nach ihrer Ursache
zu fragen, findet heraus was ihn oder sie zur Zeit im Tiefsten beschäftigt.
Da begegnet man seinen eigenen Ängs-ten oder man spürt, wohin die Sehnsucht
einem zieht. Diese Emotionen trügen nicht. Wer es wagt, ihnen auf den Grund
zu gehen, findet mehr zu sich selbst, kommt seinem höchsten Anliegen näher
und findet so auch Gott.
Gott in sich zu suchen, macht dann Sinn, wenn man es wagt, sich seinen
Schattenseiten zu stellen. Denn es ist das Dunkle in uns, das uns von Gott
fern hält. Es ist das, wofür wir uns schämen oder es begegnet uns dort, wo
wir unbedingt im Recht sein wollen. Emotionen, die wir verdrängen, schieben
sich wie eine Leinwand zwischen uns und Gott. Darauf haben wir das schöne
Bild gemalt, das wir von uns selber haben. Erst wenn wir es wagen, dieses
Bild zu zerreissen, kommen wir Gott näher.
Manchmal hilft uns der Zufall, doch meist muss man üben, was einem weiter
bringt. Das können Gebetszeiten im Alltag sein, so wie sie in Klöstern
gelebt werden oder wie sie un-sere muslimischen Mitmenschen pflegen. Es geht
darum, sich selber zu begegnen.
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