Weg-Wort vom 18. Juli 2006
Gott wird es richten
Das war nicht nur ein leichter Kratzer! Das waren massive Beschädigungen!
Vom Heck bis fast zur hinteren Türe! Mein Entsetzen war gross, als ich
meinen Wagen auf dem öffentlichen Parkplatz so zugerichtet fand. Und kein
Zettel da, mit einem Hinweis des Verursachers.
Ärger und Wut auf diesen verantwortungslosen, feigen Menschen überkamen mich
die nächsten Tage immer wieder. Und manchmal auch der Gedanke nach
Vergeltung und Bestrafung des Schuldigen. Erst recht, als ich die gesalzene
Rechnung der Garage in meinen Händen hielt.
Ärger und Wut zulassen. Mal so richtig Dampf ablassen. Das muss sein. Das
tut gut. Das reinigt und erleichtert. Aber Vergeltung und Strafe das ist
unsere Sache nicht: Verurteilt nicht andere, dann wird Gott auch euch nicht
verurteilen, heisst es im Lukasevangelium (6,37).
Manche Menschen haben schlimme Gewalt von andern erfahren oder
Schicksalsschläge erlitten, die sie nicht vergessen können, die nicht wieder
gutzumachen und nur schwer zu ertragen sind.
Wir kennen die Qual, wenn wir uns festbeissen an dem, was andere uns angetan
haben. Wenn Gedanken der Vergeltung und Rache uns innerlich auffressen. Und
der Blick nach vorn verstellt ist.
In solchen Situationen tut es gut zu wissen, dass nicht ich richten muss. Zu
vertrauen, dass da ein Richter ist. Dass Gott es richten wird nach bestem
Wissen und Gewissen auf seine ihm eigene Art. Gott wird es in Ordnung
bringen. Auch wenn wir nicht wissen wie.
Aber es hilft, die quälenden Gedanken nach Vergeltung und Strafe, nach
Genugtuung und Gerechtigkeit los zu werden. Uns zu befreien von ihrer Macht,
die unser Lebensgefühl bestimmt und belastet.
Wir leben gelassener und freier, wenn wir das Verurteilen und Richten ihm
überlassen.
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Hauptbahnhof Zürich
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Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
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Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche