Weg-Wort vom 27. Mai 2010
Grenzerfahrungen
Kennen Sie dieses Sätzchen, das entweder als tiefe Selbsterkenntnis oder als
guter Ratschlag geäussert wird: Ich muss lernen dich abzugrenzen oder eben
Du musst halt lernen, dich abzugrenzen. Alles toll, aber dass bei all
der gut gemeinten Abgrenzerei doch nicht alles koscher ist, beweist mein
Verschreiber oben, oder der Spruch, den ich immer mithöre, wenn von
Sich-Abgrenzen die Rede ist: Den Letzten beissen die Hunde. Irgendjemand
bezahlt die Rechnung, ich bin es sicher nicht, ich hab mich ja abgegrenzt,
geschützt. Dazu kommt die Erfahrung, dass solche, die sich so gut zu
schützen und abzugrenzen wissen, sich kaum um die Grenzen anderer kümmern.
Da gibt es Menschen, die wissen sich und ihren eigenen Arbeitsbereich sehr
gut zu schützen: Wehe, es trampt einer rein. So heilig ihnen der eigene Raum
ist, so hemmungslos spielen sie auf fremden Plätzen. Man ist ja grosszügig
und Gärtchendenken ist einem fremd.
Grenzen sind nicht so schlecht, sie halten einen zusammen, Grenzerfahrungen
sind wichtig. So, wie die KonfirmandInnen in unserm Lager auf einen ca 10m
hohen Masten, zuoberst auf die Plattform (50x50cm) geklettert und dann von
dort zu einem wenige Meter entfernten hängenden Trapez gesprungen sind. Alle
haben es geschafft ausser einem, und der machte die Erfahrung, dass er, als
er vom Podest aus sprang und das Trapez verfehlte, nicht zu Boden stürzte,
sondern in die Sicherung. Er wurde gehalten.
Solche Grenzerfahungen sind wichtig, die bringen einen weiter, weil es da um
die Entwicklung der eigenen Person geht, um mehr von sich kennen zu lernen.
Auch, dass in solchen Momenten die Sicherungen funktionieren, und man nicht
ungebremst zu Boden stürzt, ist eine zentrale Erfahrung. Aber ob man diese
Selbsterfahrungssache meiner KonfirmandInnen so eins zu eins in die
Arbeitswelt übertragen darf, da habe ich meine Zweifel. Gut wäre es, sehr
gut sogar. Ob es so ist bei all der Abgrenzerei? Oder, ob es so wird, dass
hängt auch von uns ab, davon, wie wir uns in unserm Lebensalltag einsetzen,
wie wir unsere Verantwortung als Menschen am Arbeitsplatz und in der
Gesellschaft wahrnehmen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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