Weg-Wort vom 15. Februar 2010
Christenmenschen
Ein Christ besuchte einst einen Zen-Meister und sagte: Erlaubt mir, dass
ich euch einige Sätze aus der Bergpredigt vorlese. Ich werde mit Freuden
zuhören, sagte der Meister. Der Christ las einige Sätze und blickte dann
auf. Der Meister lächelte und sagte: Wer diese Worte gesprochen hat, war
wahrlich ein Erleuchteter. Das gefiel dem Christen. Er las weiter. Der
Meister unterbrach und sagte: Der Mensch, der diese Worte sprach, könnte
wahrlich der Erlöser der Welt genannt werden. Der Christ war wie
elektrisiert. Er las weiter bis zum Ende. Dann sagte der Meister: Diese
Predigt wurde von einem Mann mit göttlicher Aura gehalten. Die Freude des
Christen kannte keine Grenzen. Er ging weg, entschlossen, zurück-zukommen
und den Zen-Meister zu überzeugen, selbst Christ zu werden. Auf dem Heimweg
traf er Christus am Strassenrand. Herr, sagte er begeistert, ich habe
diesen Mann so weit gebracht, dass er deine Göttlichkeit anerkannte. Jesus
lächelte und sagte: Und was hat das dir gebracht, ausser dein christliches
Ego aufzublähen?
Diese Geschichte gefällt mir ungemein gut. Sie hält mir nämlich gerade dort
den Spiegel vor Augen, wo ich glaube, besonders gottgefällig zu handeln.
Die Frage ist eben nur: Tue ich damit Gott (und allenfalls den Menschen)
einen Gefallen oder will ich gefallen? Fühle ich mich besser, hilft es
meinem Selbstwertgefühl, wenn ich in meiner persönlichen Erfolgsstatistik
einen weiteren Eintrag verbuchen kann?
Gott holt mich vom Sockel der Selbstgefälligkeit herunter. Und mir stellt
sich damit wieder einmal die Frage, was (mein) Christsein ausmacht.
Missionieren im Sinn der obigen Geschichte und mir selbst auf die Schulter
klopfen gehört ganz offenbar nicht dazu. Stattdessen den Auftrag erfüllen,
im täglichen Leben, an meinem Platz, mit meinen Begabungen und Fähigkeiten
und mit meinen mir geschenkten, wenn auch begrenzten Möglichkeiten, Gutes zu
tun, Mit-Mensch zu sein eigentlich ganz einfach, oder?
Ich will gleich heute Morgen damit anfangen. Dem Nächsten ein Lächeln
schenken, ein aufmunterndes Wort, aufmerksame Ohren, einen festen
Händedruck. Einfach mal das. Denn jeder Anfang beginnt mit dem ersten
Schritt.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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