Weg-Wort vom 23. September 2011
Ikarus
Vor ein paar Jahren war es. Ich betrete eine Ausstellung mit Werken von Stephan Balkenhol
im Museum für Moderne Kunst auf dem Mönchsberg in Salzburg.
Ein grosser Durchgang in diesem wunderbaren Museumsbau führt mich in eine erste Halle. Ein
grosser, hoher und heller Raum. Eine Seite ist verglast. Der Blick geht auf den Mönchsberg
hinaus. Und riesengross liegt da die Bronzegestalt des gefallenen Ikarus am Boden.
Filigran in Bronze gegossen sehe ich die aus Federn gefertigten Flügel. Ich sehe, dass er
nicht tot ist, aber grenzenlos enttäuscht, dass es mit dem Fliegen wieder nicht geklappt
hat. Platt liegt er am Boden. Er kann vor lauter Trauer und Enttäuschung nicht mehr
aufstehen.
Das Bild wirkt so stark auf mich, dass mir die Tränen kommen. Ein Bild für uns Menschen,
die so gerne immer wieder Grenzen überschreiten möchten - und dabei schmerzlich an Grenzen
erinnert werden.
Am liebsten würde ich mich neben diesen Ikarus legen und mittrauern! Mir kämen alle meine
Versuche, Grenzen zu überschreiten - und erfahrene Grenzen -, schmerzlich in den Sinn.
Stephan Balkenhol spricht mich mit diesem Ikarus an. Und mir gefällt, dass er keine
Antworten gibt - aber Einiges, um darüber nach zu denken! Ich werde nicht aufhören in
meinen Versuchen, Grenzen zu überschreiten. Aber ich werde versuchen, die Risiken besser
in den Griff zu bekommen. Es lohnt sich, vorher den "best case" bzw. "worst
case" genauer zu bedenken.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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