Aufwärts I

Wir stehen mitten in der Passionszeit. Im Christentum dient diese Zeit u.a. dazu, in der Auseinandersetzung mit dem Leiden Jesu grundsätzlich über das Leiden – von Menschen und Kreaturen - nachzudenken.
In der katholischen Peterskapelle und der reformierten Matthäuskirche in Luzern hat der Künstler Hans Thomann dies mit zwei Werken zur Passionsthematik getan. Sie tragen den Titel «…es geht aufwärts…». Zu sehen ist jeweils eine Leiter, die mit einem Strick am Altar (katholisch) oder der Kanzel (reformiert) festgebunden ist und steil in den Kirchenraum hinauf ragt. Oben sind Ballone befestigt. Wenn man die Leitern von nahem betrachtet, erkennt man, dass auf den Sprossen lauter Messer befestigt sind, deren Klingen ein Hinaufsteigen zur qualvollen Marter machen würden. So weckt die künstlerische Intervention eine Vielzahl von Assoziationen und Gedanken.

Die Leiter z.B., kann man als Sinnbild für die menschliche Biografie lesen: Der Aufstieg vom Säugling zum Greis/ zur Greisin. Und die Klingen stünden dann für die Tatsache, dass es Leben nicht ohne Verletzungen, Schmerz und Leid gibt.
Das Ernstnehmen des Leidens im Christentum war und ist jedoch ambivalent. Zu leicht kippt die Auseinandersetzung mit der Passion Jesu in eine allgemeine Leidensverherrlichung, in die moralisti- sche Forderung zur Leidensbereitschaft. So kann man Hans Thomanns Werk auch verstehen: Weshalb sollte man den Schmerz beim Aufsteigen auf sich nehmen? Die Messerklingen könnten doch einfach entfernt werden! Ähnlich ambivalent ist es mit den Stricken, die die Leitern mit dem Altar oder der Kanzel verbinden: Geben mir Predigt oder Eucharistie halt? Richten sie mich auf? Oder wird da auch gefesselt? Hält mich die Kirche manchmal gefangen in lebensfeindlichen Lehren oder durch Missbrauch? Leiden ernst nehmen kann bedeuten: Sich wehren, sich befreien!