Weg-Wort vom 30. Juni 2008
Biographie
Warum sind eigentlich Biographien so beliebt? Es muss einen unglaublichen
Markt für diese Literaturgattung geben, sonst würde nicht sofort über jeden
einigermassen bekannt gewordenen Zeitgenossen eine Lebensbeschreibung
erscheinen. Bei den Käufern und Lesern ist sicher auch viel Neugier im
Spiel. Man will hinter die Fassade blicken und giert nach vertraulichen
Details.
Und wer die Lebensgeschichte eines anderen liest, der vergleicht sich immer
auch mit der dargestellten Person: Welches Elternhaus hatte sie? Was hat sie
von zu Hause mitbekommen? Mit wie viel Jahren hatte er seine
Berufsausbildung oder sein Studium abgeschlossen. Wen und wann hat er
geheiratet? Welchen Erfolg hatte er im Beruf? So vollzieht sich während der
Lektüre ein ständiges Vergleichen zwischen der eigenen und der beschriebenen
Lebensgeschichte.
Das hat auch den Apostel Paulus interessiert: Wer lenkt eigentlich mein
rätselhaftes Leben: Vom Christenverfolger zum Heidenapostel? War das mein
Wille, meine Entscheidung? Und er gibt sich die Antwort: Ich lebe, aber doch
nicht ich, sondern Christus lebt in mir.
Er kann sein Leben nur richtig verstehen und deuten, wenn er es beständig
mit der Lebensgeschichte Christi vergleicht. Trotzdem: das Gefühl von
Rückstand und Versagen breitet sich in ihm aus. Er hat weiterhin
Misserfolge. Er ist schwer eingeschränkt durch eine Krankheit, vielleicht
war es Epilepsie, man weiss es nicht genau. Er wurde kritisiert und
abgelehnt. Manchmal hatte er das Gefühl, völlig vergeblich gearbeitet zu
haben.
Aber diese Einschränkungen und Defizite sind nicht entscheidend. Er weiss:
Da tritt ein anderer für mich ein und lenkt mein Lebensschiff. Dem vertraut
er sich an und den lässt er machen. Das gilt nicht nur für Paulus, sondern
für jede und jeden von uns: Vor Gott und den Menschen zählt das verborgene
Leben, das Christus in mir lebt, das unsichtbar in mir Gestalt gewinnt. Kein
Gesetz, kein noch so vorbildliches Leben darf uns daran irre machen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Roman Angst, Toni Zimmermann
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