Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 25. März 2019
Gott ist ...
Als Religionslehrer gab ich den Zweitklässlern einmal ein Blatt, auf dem stand: Gott
ist...“
Die Schülerinnen und Schüler sollten den angefangenen Satz
Gott ist ein König. Gott ist allmächtig. Gott ist der Richter der Menschen. Ein Mädchen
aber schrieb: „Gott ist schnuggelig, einfach zum Gern haben.“
Da hatte die kleine Theologin eine eigene Formulierung für Gott gefunden, die sie nirgends
gelesen und gehört hatte. Gott war für sie nicht eine ferne Grösse, nicht ein mächtiger
Potentat. Nein, er war einfach einer zum Gern haben. Es war keine abstrakte theoretische
Aussage, sondern persönlich aus dem Herzen gesprochen. Ohne es zu wollen, setzte das
Mädchen mit ihrer Aussage „Gott ist schnuggelig“ ein Fragezeichen hinter geläufige,
gängige Gottesvorstellungen. Die Schüler wollten wissen, welche Sätze richtig seien, wer
recht habe und sie staunten, als ich ihnen erklärte, dass sie zusammen recht hätten, dass
eine einzelne Aussage über Gott immer zu wenig weitreichend und zu eingeschränkt ist. Die
Aussage, Gott ist wie ein König, zeigt zwar seine Souveränität, sie ist aber auch
gefährlich, wenn Gott wie ein abgehobener reicher Aristokrat gesehen wird.
Und die Aussage, Gott ist wie ein Richter, bringt zum Ausdruck, dass wir vor Gott
Rechenschaft ablegen müssen, dass er für Recht und Gerechtigkeit einsteht, aber diese
Aussage sagt nichts über die Liebe und Herzlichkeit Gottes. Jede Aussage über Gott ist
immer ergänzungsbedürftig. Wir können Gott nicht in Worte fassen. Aussagen über Gott sind
letztlich Annäherungsversuche.
Die Schülerin hat mit ihrem Satz „Gott ist schnuggelig“ hellsichtig erfasst, dass jede
Aussage über Gott erst ihren Wert hat, wenn die liebende Beziehung Gottes zu uns zu
erahnen ist.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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