Das Weg-Wort – Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich
 
Weg-Wort vom 17. Juni 2021
 
Zärtlich mit Gott
 
«Mögen sie mich hassen, solange sie mich nur fürchten.» Diesen Satz hatte sich der römische Kaiser Caligula als Motto gewählt. Daraus spricht die Logik der Macht. Angst macht Menschen gefügig. Das gab dem Kaiser das Gefühl, der Mächtigere zu sein. Manche stellen sich Gott nach demselben Denkmuster vor: Wenn er über alle Massen mächtig ist, dann sei er wohl auch wie niemand sonst zu fürchten.
 
Solchen Vorstellungen widersetzte sich Jesus. Er stellte in seiner Bergpredigt ein Gebet vor, in dem wir Gott unseren Vater nennen – eine ungeheure Anmassung in der Machtlogik. Jesus ging noch weiter und sprach das Göttliche als «Abba» an, das heisst «lieber Papa» in der Sprache seiner Zeit. Darin schwingt eine liebevolle, geradezu zärtliche Haltung, die alle Furcht hinter sich gelassen hat.
 
Mit liebendem Herzen und ohne Angst leben: Das ist die grosse Einladung Jesu und zugleich eine Herausforderung. Wir sehen gewöhnlich zuerst Probleme und Mangel. Den Blick zu ändern, trotz allem zu vertrauen und dankbar zu sein, ist die Übung des Glaubens. Dann sind im Gebet nicht mehr viele Worte nötig, meint Jesus. Gottes Liebe weiss, was wir brauchen.
 
Sollen wir nun Ehrfurcht und Gottesfurcht über Bord werfen? Vielleicht finden wir passendere Ausdrücke für das staunende Erschauern vor dem Erhabenen und Unfassbaren des Göttlichen. Das Erschauern gibt es auch in der Liebe, ganz ohne Angst. Auf jeden Fall hat es Konsequenzen, wenn wir Gott mit einem zärtlichen offenen Herzen begegnen: Wir machen dasselbe mit unseren Mitmenschen, wir verzeihen ihnen und enthalten ihnen nicht vor, was sie zum Leben brauchen. Stellen Sie sich vor, wie dann die Welt aussähe!
 
 
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
 
Bild von jmarcochi auf Pixabay
 
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