Weg-Wort vom 30. Juni 2009
Dem Geheimnis meines Lebens nachspüren
Er war ein äusserst aktiver Mensch. In seinem Leben war immer etwas los,
beruflich wie privat. Er wollte möglichst viel von seinem Leben haben: Wer
weiss, wann es zu Ende ist! Und dann der Herzinfarkt. Es hätte wirklich
Schluss sein können! Er wusste nun, was bisher war, war nicht sein
eigentliches Leben. Das zu entdecken, darauf wollte er sich jetzt auf die
Suche machen.
Wir können dem Geheimnis unseres Lebens auch ohne ein einschneidendes
Erlebnis nachspüren. Der Benediktinerpater Anselm Grün beschreibt im
Folgenden eine Möglichkeit dazu:
Wenn wir uns vorstellen, dass wir morgen sterben würden, dann würden wir
nochmals ganz bewusst und intensiv den heutigen Tag erleben. Wir würden
jeden Augenblick auskosten. Wir würden uns auf die Begegnungen vorbehaltlos
einlassen. Wir würden auf jedes Wort achten, das wir sprechen, und abwägen,
was wir eigentlich sagen möchten.
Wir wissen alle, dass wir eines Tages sterben werden. Aber das verdrängen
wir lieber. Das prägt nicht unser Leben. Daher ist eine wichtige Übung des
geistlichen Lebens für [den heiligen] Benedikt, sich täglich den Tod vor
Augen zu halten. Diese Übung empfiehlt Benedikt nicht, um mit traurigem
Gesicht durch die Welt zu laufen, sondern um das Leben auszukosten, um Lust
am Leben zu haben.
Sich vor Augen zu halten, dass wir sterben werden, das heisst menschlich
leben, so leben, wie es unserer menschlichen Existenz entspricht, die ja
sterblich ist.
Und es heisst für mich, achtsam und wach zu leben, mir immer wieder des
Geheimnisses innezuwerden, dass ich da bin, dass ich atme, dass ich fühle,
dass ich lebe, dass ich einzigartig bin auf der Welt, dass es einen Aspekt
von Gott gibt, den nur ich in dieser Welt ausdrücken kann.
Das Denken an den Tod dient dem Leben. Ich spüre dem Geheimnis des Lebens
nach. Was bedeutet es zu leben, zu sein? Wie fühlt sich das Leben an? Wie
schmeckt Leben? Und was heisst es, einmalig zu sein, etwas vermitteln zu
dürfen, das nur ich vermag? Was heisst es, dass die Welt auf mich wartet,
dass ich das Wort sage, das mir allein vorbehalten ist?
Wir wünschen Ihnen einen guten und gesegneten Tag!
Die Seelsorger und Seelsorgerinnen der Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Beat Schlauri, Susanne Wey
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