Weg-Wort vom 19. Juli 2007
Gottes Sehnsucht
Wenn die Bibel von Gott redet, dann nennt sie ihn unbefangen Liebe,
zärtliche Liebe. Und Gott ist für sich so volles Leben, dass seine Liebe
überströmen will über sich hinaus in die Welt hinein. Er will sich an
jemanden verschenken, der er selbst nicht ist. In einer grossen
Liebesgebärde schafft Gott die Welt und den Menschen.
Das sind schöne, aber abstrakte theologische Aussagen. Damit eine solche
Wahrheit unser Herz berühren kann, müssen wir vielleicht Schriftsteller
sprechen lassen. Ich tu es im heutigen Wegwort mit einer Schöpfungserzählung
vom amerikanischen Schriftsteller und Liedermacher James Weldon Johnson
(1871-1938). Er schreibt:
Und Gott trat heraus in den Weltenraum und blickte rundum und sprach:
Ich bin allein ich mache mir eine Welt.
Und so weit das göttliche Auge sah, bedeckte Finsternis alles,
schwärzer denn hundert Mitternächte tief im Zypressen-Moor.
Dann lächelte Gott, und das Licht brach hervor,
und das Dunkel rollte zur einen Seite sich auf,
und das Licht stand hell auf der andern.
Und Gott sprach: Das ist gut!
Dann holte Gott aus und nahm das Licht in seine Hände,
und Gott ballte das Licht in seinen Händen,
bis er die Sonne gemacht.
Und er setzte diese Sonne auflodernd in die Himmel.
Dann schritt Gott rundum,
und blickte rundum auf alles, das er gemacht.
Er sah nach der Sonne, und er sah nach dem Mond,
und er sah nach den kleinen Sternen;
er sah seine Welt und das Leben darauf,
und Gott sprach: Ich bin noch immer allein.
Dann sass Gott nieder am Fuss eines Hügels,
wo er nachdenken konnte,
sass nieder an einem tief-tiefen Fluss, das Haupt in seinen Händen, und
dachte und dachte:
Ich mache mir einen Menschen.
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