Das Weg-Wort – Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich
Weg-Wort vom 9. September 2021
Gnadenmoment
Mit dem Sterben befasst sich kaum ein Mensch freiwillig und gerne. Gestern sind mir Gedanken von Sarah Kerr begegnet. Sie ist eine
Sterbe- und Trauer-Begleiterin und schildert auf berührende Weise, welche Kostbarkeit im Sterbemoment liegt. Ein paar ihrer Überlegungen möchte ich hier wiedergeben:
„Wenn jemand erwartet stirbt, ist das Erste, was es zu tun gibt, erst einmal nichts zu tun. Lauf nicht weg und rufe die Pflegerin.
Nimm nicht gleich das Telefon in die Hand. Atme tief durch und sei aufmerksam für die Grösse des Augenblicks. Es ist eine Gnade, am Bett einer geliebten Person zu sein, wenn sie diese Welt verlässt. In dem Moment, in dem sie ihren letzten Atemzug tut, liegt
eine unglaubliche Heiligkeit im Raum. Der Schleier zwischen den Welten öffnet sich.“
„Der Tod ist kein Problem, das gelöst werden muss. Es ist sehr traurig, doch kein Grund zur Panik. … Setze dich ans Bett und sei einfach
da mit der Erfahrung im Raum. … Stimme dich ein in die Schönheit und Magie des Moments. Das Innehalten gibt deiner Seele die Gelegenheit, mitzukommen. Schenke dir fünf, 10 oder 15 Minuten.“
„In den Momenten nach dem Tod aufmerksam zu sein, … ist auch ein Geschenk an die Person, die gerade gestorben ist. Sie ist bloss einen
Atemzug entfernt. Sie beginnt gerade ihre neue Reise in der Welt ohne Körper. Wenn du den Raum um ihren Körper ruhig hältst, kann sie auf eine schönere Weise weitergehen. Es ist ein Dienst für beide Seiten des Schleiers.“
Sarah Kerr begegnet dem Moment des Sterbens mit einer geradezu zärtlichen Hochachtung. Ihre Worte laden mich ein, meine Ängste und
meinen Drang zu Geschäftigkeit loszulassen und dem Leben liebevoll zu vertrauen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
Bild von S. Hermann & F. Richter auf Pixabay
© Ökumenische Bahnhofkirche im Hauptbahnhof Zürich
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