Das Weg-Wort – Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich
 
Weg-Wort vom 16. Juni 2021
 
Heiliges Holz
 
Lindenbäume habe ich sehr gern. Jetzt Mitte Juni beginnen sie zu blühen. Dann beschenken die Bäume uns mit ihrem betörenden Duft und mit Blüten für einen gesunden Tee. Junge Blätter der Linde machen sich gut in einen Salat. Bienen stellen aus dem Nektar den köstlichen Lindenhonig her.
 
Viele Dörfer hatten früher eine Linde auf ihrem zentralen Platz. Dort kam man zusammen um das Neuste zu erfahren, Brautschau zu halten, in den Mai zu tanzen und mancherorts um Gericht zu halten. Nach Kriegen oder Pestepidemien wurden bisweilen Friedenslinden gepflanzt. Der Legende nach geht auf das Ende einer Pest die Linde von Linn zurück, einer der mächtigsten Bäume im Aargau. Sie soll um das Jahr 1150 herum gepflanzt worden sein.
 
Das Holz der Linde ist relativ weich und mittelschwer. Seine gleichmässige Dichte und leichte Bearbeitbarkeit in alle Richtungen machen es ideal für die Bildhauerei, für das Schnitzen und für Drechselarbeiten. Heiligenstatuen wurden überwiegend daraus gefertigt. So bekam das Lindenholz mit der Zeit den Beinamen „lignum sacrum“, heiliges Holz. Als Bauholz taugt Lindenholz allerdings nicht. Es ist zu anfällig auf die Einflüsse der Witterung.
 
Für das Kunstwerk LAPIS SOLARIS in unserem Raum der Stille hat die Künstlerin das Holz einer Linde verwendet, ein langes, fünf Zentimeter dickes Brett ohne Astlöcher. Die Flächen sind mit Lapislazuli bemalt und die Ränder in Gold gefasst. Wenn ich davorsitze, kommen mir Fragen: «Aus welchem Holz bin ich gemacht? Welche Gaben habe ich zu geben?» – Und egal, wozu ich tauge und wozu nicht: Lasse ich es zu, im Leben von Gott bearbeitet zu werden, dann wird das, was ich bin, heilig sein.
 
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
 
Blühende Linde; Bild von Jenõ Szabó auf Pixabay
 
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