Weg-Wort vom 30. Mai 2006
Die Quittung bekommen (Psalm 9)
Wieder einmal habe ich mich aufgeregt über schreiendes Unrecht, das direkt
vor unserer Nase passiert. Und ich kann nichts dagegen machen. Auch andere
nicht! Es ist nicht zum Aushalten.
Davon erzähle ich einer über 90jährigen Frau. Ich kenne sie schon viele
Jahre. Ich schätze sie sehr. Sie ist in ihren Ansichten und Interessen auf
eine gute Art jung geblieben und darum eine geschätzte Gesprächspartnerin.
Doch diesmal bleibt ihr Kommentar kurz und knapp: Schau, das ist meine
Lebenserfahrung: Jede und jeder bekommt irgendwann für das, was er gemacht
oder nicht gemacht hat, die Quittung im Leben oder im Leben nach dem Tod.
Kämpfe darum für das Recht und bemühe dich, selber kein Unrecht zu tun!
Ich kann nicht alles erreichen, nicht alles richten, nicht alles Unrecht aus
der Welt schaffen - auch mit vereinter Hilfe nicht. Mit dem Psalmbeter des
9. Psalms vertraue ich auf Gott: Du hast meine Sache in die Hand genommen,
du, der gerechte Richter, leitest den Prozess. (Ps 9.5)
Ich darf manches loslassen, es Gott überlassen. Er nimmt die Sache in seine
Hand. Du, Herr, verlässt nicht, die nach dir fragen. (Ps 9.11b)
Es lastet nicht alles auf meinen Schultern. Ich darf abgeben meinen
Mitmenschen, Gott. Ich bin nicht allein. Da waltet eine Gerechtigkeit, die
weitergeht als alles, was ich mir vorstellen kann. Und ich kann sie immer
wieder einmal sehen: Der Herr hat sich gezeigt, er hielt Gericht, der
Schuldige ist durch seine Taten überführt. (Ps 9.17)
Nein, nichts geht vergessen. Für alles wird es einmal eine Quittung geben.
Der Arme soll nicht für immer vergessen bleiben, die Unterdrückten hoffen
nicht ewig umsonst. (Ps 9.19)
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Hauptbahnhof Zürich
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