Das Weg-Wort – Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 16. August 2019
Auf Entzug
Lieber Gott
Also, du machst es uns ja wirklich nicht einfach. An Weihnachten hast du uns noch die Herzen erwärmt, wie du so in deiner Krippe lagst und in unsere Stube hinein lächeltest. Ein paar Monate später hingst du an diesem grauenvollen Kreuz, blutverschmiert und schmerzdurchzuckt, und starbst. Drei Tage danach hiess es, man habe dich gesehen, du seist wieder lebendig, einfach anders als vorher. Immer noch vertraut, aber gleichzeitig fremd.
Und wenn wir in deinem Buch nachlesen, wird es noch komplizierter. Einmal bist du Hirte, der uns führt, dann Richter, der belohnt und bestraft, dann wieder Befreier aus Unterdrückung und einmal sogar ein feiner Windhauch. Also was jetzt? Es wäre doch viel einfacher, wenn man wüsste, woran man mit dir ist. Wenn du dich ein bisschen anpassen könntest, an unsere Vorstellungen und wir dich in unsere Schubladen versorgen und dich hervornehmen könnten, wenn wir dich brauchen. Aber nein, das tust du nicht.
Deinem Freund Moses bist du sogar als Feuer erschienen, in einem Dornbusch. So kann man sich ja glatt die Finger verbrennen, an dir. Und dann habest du ihm noch gesagt, dein Name sei „Ich bin der ich bin.“ So kann man dich also wirklich auf gar nichts festlegen.
Ja, und schliesslich noch die Maria. Der hast du dich als Friedhofsgärtner gezeigt. Und kaum hat sie dich erkannt, verbietest du ihr, dich anzufassen. Unfassbar!
Ich glaub, du entziehst dich wirklich allem, du – äh – du Gott.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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