Das Weg-Wort – Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich
Weg-Wort vom 6. August 2021
Gott lacht
In der Bibel steht an keiner einzigen Stelle, dass Jesus jemals gelacht hätte. Dadurch wurden Spekulationen genährt, dass er sich während
seiner gesamten irdischen Zeit tatsächlich nie zu einem Lachen habe hinreissen lassen. Immer wieder hat diese Frage die christlichen Gemüter erregt. Irgendwie schien es nicht respektvoll, sich Christus lachend vorzustellen.
Bei genauerer Betrachtung können wir entdecken, dass Jesus sehr wohl Humor gehabt hat. Seine Gleichnisse sind voll von witzigen Vergleichen.
Da kommt ein Mann mit einem Balken im Auge vor, oder ein Kamel, das durch ein Nadelöhr soll. Von seinen Gegnern wurde Jesus «Fresser und Säufer» genannt, weil er mit den Leuten feierte. Den Gastmählern wird er kaum mit ernster Miene beigewohnt haben. Jesus
wollte Kinder um sich herum und bezeichnete sie als Vorbilder. Sie sind gar nicht vorstellbar ohne ihre übersprudelnde Freude und ihr Lachen.
Aber lacht Gott? Das ist nochmal ein anderes Thema. Gott übersteigt alle menschliche Vorstellungskraft. Jede menschenförmige Darstellung
Gottes wird höchstens eine sehr begrenzte Ahnung von seinem Sein andeuten. Lachen wird oft mit niederen Beweggründen in Verbindung gebracht, mit Hohn und Spott, mit Ignoranz oder Schadenfreude. Es erscheint allzu menschlich.
Jesu Hinweis auf die Kinder gibt uns glaube ich eine Spur. Sie lachen aus reinem Herzen, aus purer Lebensfreude. Ich stelle mir Gott
vor, wie er aus dieser Energie das gesamte Universum erschafft. Und wenn er uns gegenüber lacht, dann nicht auf höhnische und übermächtige Weise, sondern wie ein Vater, der sein Kind freudig im Kreis herumwirbelt und es von Herzen anlacht. Das liebende Lachen
ist für mich ein berührendes Bild für Gott.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
Bild von Sasin Tipchai auf Pixabay
© Ökumenische Bahnhofkirche im Hauptbahnhof Zürich
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