Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 24. Juni 2016
Veränderung
Das war spannend. Ein achtzig Jahre alter Mann berichtet mir aus seinem Leben. Den Focus
legt er auf die Veränderungen, die er im Lauf der Jahre erlebt hat. Äussere Veränderungen
- aber auch innere Veränderungen - beides hängt ja miteinander zusammen.
Er berichtet weiter von guten Zeiten, fruchtbaren Zeiten, aber auch von schweren Tagen und
von sinnbildlichen Wüsten, durch die er gehen musste. Er berichtet von Menschen, die ihn
begleitet und geprägt haben, aber auch von Menschen, die sich gegen ihn gestellt haben,
mit denen er sich - manchmal schmerzlich - auseinander setzen musste. Dann resümiert er:
"Ich habe mich so stark verändert, dass Menschen, die mich früher gekannt haben,
staunen, wie ich heute bin! Und sie finden es gut."
Und was kommt mir wieder in den Sinn? Eine Geschichte natürlich. Ich berichte sie ihm:
Ein Fluss wollte durch die Wüste zum Meer. Aber als er den unermesslichen Sand sah, wurde
ihm Angst, und er klagte: "Die Wüste wird mich austrocknen, und der heisse Atem der
Sonne wird mich vernichten." Da - plötzlich - hörte er eine Stimme, die sagte:
"Vertraue dich der Wüste an." Aber der Fluss entgegnete: "Bin ich dann noch
ich selber? Verliere ich nicht meine Identität?" Die Stimme aber antwortete:
"Auf keinen Fall kannst du bleiben, was du bist." So vertraute sich der Fluss
der Wüste an. Wolken sogen ihn auf und trugen ihn über die heissen Sandflächen. Als Regen
wurde er am anderen Ende der Wüste wieder abgesetzt. Und aus den Wolken strömte ein Fluss,
schöner und frischer als zuvor. Da freute sich der Fluss und sagte: "Jetzt bin ich
wirklich ich."
Der alte Mann hatte mir gut zugehört und wiederholte den Satz: "Auf keinen Fall
kannst du bleiben, was du bist." Und er meint: "Dieser Sachverhalt wird mir je
länger je deutlicher und klarer."
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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