Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 16. Dezember 2020
Jesus aus Tansania
Die diesjährige Krippe in der Bahnhofkirche ist aus Ebenholz geschnitzt worden. Deshalb
sind alle Figuren ganz dunkelbraun, beinahe schwarz. Ein schwarzes Christuskind mit
schwarzen Eltern, dunkle Hirten und Könige. Sogar der Engel ist braunschwarz. Historisch
ist das natürlich falsch: Jesus war Jude. Weder er noch seine Eltern noch die Hirten in
der Umgebung waren afrikanisch. Aber an die historischen Fakten hat man sich bei der
künstlerischen Darstellung biblischer Figuren sowieso nie gehalten. Kaum war das
Christentum nach Europa gekommen, wurde Jesus als Weisser gemalt. Und meist haben die
Künstler die biblischen Szenen in ihre Lebenswelt übertragen. So sehen wir z.B. Menschen
in spätmittelalterlichen Gewändern, die sich in saftig grünen, an die Toskana erinnernden
Landschaften bewegen.
Unsere Krippe dagegen stammt aus Tansania. Hier wird eine afrikanische Lebenswelt
dargestellt.
Vom Glauben her ist das absolut sinnvoll. Wenn wir ernst nehmen, dass Gott für jede und
jeden in Jesus Mensch geworden ist, wenn das nicht nur damals und dort in Palästina
gegolten hat, sondern immer und überall, dann kann die Heilige Familie genauso europäisch
sein wie japanisch, dann kann Gott genauso in Australien Mensch werden wie in Tansania.
Glaubende nehmen so für sich in Anspruch, dass Gott ihnen wirklich nahe ist, dass er einer
von ihnen ist.
«Jesus ist der schwarze Christus» hat der schwarze Befreiungstheologe James H. Cone 1970
geschrieben. Für schwarze Menschen in den USA könne Jesus nur dann relevant werden, wenn
er einer von ihnen werde: Ein Schwarzer, der die Armut und Diskriminierung im US-Alltag
mit ihnen teile, stellte Cone klar.
So kann die Menschwerdung Gottes uns gleichzeitig etwas Vertrautes und Nahes sein und zur
politischen Herausforderung werden, wenn wir uns mit Krippen aus verschiedenen Teilen der
Welt beschäftigen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
Abb: Weihnachtskrippe aus Tansania, Detail. Foto: Bahnhofkirche Zürich.
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