Weg-Wort vom 28. September 2006
Fenster nach innen und aussen
Vielleicht kennen Sie den Ranft den Ort, an den sich Bruder Klaus zurück
zog und als Einsiedler lebte. An diesem Ort macht mir besonders seine Zelle
grossen Eindruck. Zwei kleine Fenster geben einen ganz unterschiedlichen
Blick frei.
Das eine Fenster befindet sich in der Andachtsnische und hebt die Augen in
die Kapelle. In der Andachtsnische sammelte er sich für Meditation und
Gebet. Hier öffnete er sich für das göttliche Licht und stand wohl manch
inneren Kampf durch. Dieses Fenster war für ihn das Fenster zu Gott.
Das zweite Fenster gibt den Blick nach draussen frei. Es deutet darauf hin,
dass Bruder Klaus nicht einfach betete und sich von der Welt zurückzog.
Nein, vielmehr führte ihn das Gebet wieder zu der Welt hin. In seiner
Einsiedelei segnete und grüsste er die Menschen, die zu ihm kamen. Er hörte
ihnen in ihren Nöten zu und war ein guter Ratgeber. Seine Ratschläge kamen
aus einem tiefen Grund des Glaubens. Er war überzeugt, dass ihm Gott auch im
Fenster nach aussen begegnete. So verstand Bruder Klaus das innige Gebet vor
dem Fenster zur Kapelle hin und der teilnehmende Blick nach aussen als eine
Einheit.
Dies gilt auch für uns. Jede Hinwendung zu Gott, jede Gotterfahrung führt
wieder hinaus, zum Menschen und zur Welt. Gebet und Meditation sind kein
Selbstzweck, um für sich selber grosse innere Erfahrungen zu machen. Wer
aber nur auf die Welt schaut, in der Arbeit und im Trubel eines Tages hängen
bleibt, der verliert über kurz oder lang etwas Wesentliches. Das Gebet
gewinnt aus der Zuwendung zur Welt neue Kraft und Dynamik, wenn wir die
Sorge und Nöte auch in unsere Meditation hineinnehmen. Aus dem Blick auf
Gott kommen uns neue Kraft und Impulse für die Zuwendung zur Welt zu. Welt
und Gott sind so nicht zwei gegensätzliche Dinge, sondern sie sind in sich
verwoben und vereint.
Wer auf Gott schaut, wird zu den Menschen geführt und wer sich von der
Welt betreffen lässt, wird zu Gott geführt.
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Hauptbahnhof Zürich
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Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
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