Weg-Wort vom 20. November 2007
Worauf wir uns verlassen können
Viele Menschen, nicht nur ältere, haben Mühe mit dem raschen Wandel in
unserer Zeit. Was noch bis vor kurzem galt, ist heute überholt.
Das trifft vor allem auf den technischen Bereich unseres Lebens zu. Kaum hat
man sich an ein neues Gerät gewöhnt, kennt seine Vorteile und Tücken, gibt
es schon keine Ersatzteile mehr, weil es durch die neue Generation bereits
wieder abgelöst ist.
Manche tun sich schwer mit dem Wertewandel. In einer Gesprächsrunde zum
Thema wurden neben vielen anderen Beispielen das ungebührliche Benehmen der
heutigen Jugend beklagt und vor allem die Ausweitung der Gewaltdarstellungen
in Computerspielen und Filmen.
Einzig eine fast achtzigjährige Frau mochte sich diesen Klagen nicht einfach
anschliessen. Für sie gehört das alles zum Lauf der Welt. Stetige
Veränderungen sind Teil des Lebens selbst. Ohne Wandel kein Leben. Sie
selber hat im Lauf ihres Lebens unzählige Veränderungen erfahren. Sie musste
lernen, sich den wechselnden Strukturen in Familie und Gesellschaft
anzupassen, ihre Vorstellungen von einem angemessenen Umgang untereinander
zu revidieren aber auch scheinbar Unabänderliches auszuhalten.
Inmitten des unablässigen Kommens und Gehens aber gab es für sie etwas, das
stets verlässlich war, woran sie sich immer halten konnte etwas, das für
sie den unbedingten Wert und die Würde eines jeden Menschen garantiert,
unabhängig von seiner gesellschaftlichen Stellung. Eine Gewissheit, dass die
oberflächlichen Erscheinungen des Lebens einen Grund haben. Und dass dieser
Grund von allem dem Zugriff des Menschen entzogen ist. Dass er gerade
deshalb Halt gibt und ein Fundament bildet, das keine Wechselfälle des
Lebens zu erschüttern vermag.
Dieser Bereich in ihrem Leben, der unantastbar bleibt und nur ihr selber
gehört, ist für sie ihre persönliche Beziehung zum Göttlichen, wie sie sagt.
Das gibt ihr Halt, Orientierung und Kraft, sich stets neu auf die
veränderten Verhältnisse einzulassen, ihre eigenen Ansichten und
Vorstellungen einzubringen und ihre Lebenswelt auch noch in ihrem Alter
aktiv mitzugestalten.
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Hauptbahnhof Zürich
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
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