Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 8. Oktober 2015
Stricken Sie auch?
Als ich ein Kind war, durfte man mir mit dieser Frage nicht kommen.
Stricken, das ist Mädchensache gewesen. Richtig: Gewesen! Inzwischen wird es
in der Schule schon längst koeduziert unterrichtet. Das Resultat lässt sich
sehen. Es werden in der Erwachsenenbildung für gutes Geld Kurse angeboten:
Wie stricke ich eine Socke, wie einen Pullover? Ein absoluter Renner war die
selbstgestrickte Mütze in 15 Minuten - ein weltweiter Geschäftshit.
Beim Stricken geht es mir nicht einmal so sehr um Fertigkeit oder Kunst.
Klar ist ein Pullover mit lauter Fallmaschen nicht schön anzusehen. Es ist
ein durchlöchertes Ganzes. Aber auch darum geht es mir nicht. Mir geht es um
den Ärger, wenn die Wolle nicht schön vom Knäuel kommt, sondern in sich
selbst verflochten ein kaum zu entwirrendes Dickicht geworden ist.
Dann sind wir beim Stricken da, wo uns das Leben hie und da hinwerfen kann -
in ein kaum zu durchschauendes Dickicht. Wie kriege ich da meinen
Lebensfaden wieder raus. Sie erinnern sich an den gordischen Knoten.
Alexander löste ihn mit einem Schwerthieb. Der zerstückelt aber jeden
Lebensfaden, unsern brauchen wir ganz. Denken Sie an den "Fils rouge", der
nicht nur jede Geschichte durchziehen soll, sondern auch unser Leben.
Nicht das Schwert braucht man/frau, vielleicht nicht einmal die Schere, aber
Geduld, um aus dem Gewirr wieder zu einem Faden zu kommen, der leicht zu
brauchen ist und aus dem alle, die am Stricken Freude haben, etwas Schönes
gestalten können.
Geduld braucht es, um Verwirrtes zu entwirren; Geduld und einen langen Atem.
So übe ich mich immer wieder an der Wolle. Da übe ich mich in Geduld, in
Sorgfalt und mit Ausdauer, bis aus der Wirrnis der Wolle ein Faden wird,
schön aufgewickelt zu einem Knäuel. Es hilft beim Entwirren von Seelengnusch
- dem eigenen und noch viel mehr bei fremden - die nötige Sorgsamkeit
aufzubringen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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