Wenn der Nikolaus kommt
Mein Bruder und ich waren Racker, aber wie alle Kinder waren wir in den Tagen vor dem Besuch des Heiligen Nikolaus brav. Wir sind in einer katholischen Gegend aufgewachsen und auch zu den evangelischen
Familien kam am Vorabend des Nikolaustages ein würdiger Bischof.
Den Schmutzli mit Sack und Rute haben wir kaum beachtet. Der Heilige mit dem weissen Bart, der Mitra, mit seinem roten Umhang über der Tunika und dem Stab hat uns viel mehr gefallen. Wir haben uns auch
nie gefürchtet. Wir waren ja zu zweit.
Im Blick hatten wir auch unsere Mutter, die immer sehr gerührt und mit leuchtenden Augen dabeigestanden hat.
Der Bischof hat dem Schmutzli seinen Stab gereicht, sich das goldene Buch geben lassen und daraus vorgelesen und dann habe ich ein Gedicht aufgesagt, der Schmutzli hat uns unsere süssen Sachen geschenkt
und beide sind mit Segenswünschen für die Weihnachtszeit wieder gegangen.
Wir zwei haben genau gewusst, dass der Nikolaus immer der Herr Asam war, ein Nachbar. In einem Jahr war es anders. Der Nikolaus hatte das gleiche Gewand an, aber war grösser, irgendwie jünger. Geredet
hat er auch anders. Einmal hat er beim Reden die Luft hörbar durch die Zähne eingesogen. Mein Bruder und ich haben uns angeschaut und gegrinst. Als der Nikolaus weg und wir allein waren, hat meine Bruder gesagt: Wie er durch die Zähne so schth gemacht hat,
habe ich gemerkt, dass das der Gerdl war, der Sohn vom Herrn Asam. Jetzt macht er wohl den Nikolaus.
Am nächsten Tag sind wir dem Gerdl begegnet. Er hat uns bedeutungsvoll angeschaut. Wir haben aber nichts gesagt. Ihm nicht und unserer Mutter nicht. Wir wollten ihnen beiden die Freude am Nikolausabend
lassen. Darin waren wir recht weihnachtlich. Denn es ist ja das Kind, das die Weihnachtsfreude bringt.