Das Weg-Wort – Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 13. September 2019
Kein Heimatgott
Im Alten Testament, im 7. Kapitel des 2.Samuelbuches, wird eine bemerkenswerte Begebenheit erzählt. Nach der Flucht aus Ägypten hat das Volk Israel in Kanaan Fuss gefasst. Dem Volk geht es gut, und nach dem unglücklich regierenden König Saul ist jetzt der junge David Herrscher. Unter ihm wird Israel ein mächtiger Regionalstaat. Das ist der richtige Moment, um einen Tempel für Gott zu bauen, findet David. Denn der fehlt. Es gibt lediglich dieses alte Zelt, in dem die Tafeln mit dem göttlichen Gesetz aufbewahrt werden, dieses Stiftzelt, das Israel auf der Flucht in der Wüste mit sich trug. Es galt dem Volk in Zeiten der Heimatlosigkeit als Zeichen der Gegenwart Gottes. Aber jetzt, in der neuen Heimat, braucht es etwas anderes, etwas Repräsentatives: Einen richtigen Tempel!
Der Prophet Natan jedoch hat einen Traum, indem er die Stimme Gottes hört: Gott will nicht in einem Haus, in einem Tempel wohnen! Er sagt:
Ich habe nicht in einem Haus gewohnt seit dem Tag, an dem ich die Israeliten aus Ägypten heraufgeführt habe, bis auf den heutigen Tag, ich bin umhergezogen in einem Zelt als Wohnung.
Gott will nicht zum Symbol für Davids Macht werden und schon gar nicht zum Heimatgott für Israel. Er erinnert den König daran, dass Heimat immer auf Zeit ist und wieder verloren gehen kann. Er ist ein Zeltgott, ein Gott des Wandels, der Veränderung und – ein Gott der Flüchtenden.
Wenn am Sonntag – dem Dank-, Buss- und Bettag - die Schweizer Bevölkerung wieder zur Besinnung auf Gott eingeladen ist, kann es gut sein, dies zu bedenken:
Der Gott der jüdisch-christlichen Überlieferung ist kein Heimatgott, sondern einer, der Heimatlosen Heimat ist.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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